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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Eifersucht verzehrt und bereit, für ein wenig solcher Volkstümlichkeit sich zu verkaufen.
    »Wenn es Späher unter uns gibt, Kameraden,« fuhr Etienne fort, »dann mögen sie sich in acht nehmen; man kennt sie... Ja, ich sehe Bergleute aus Vandame, welche die Grube nicht verlassen haben...«
    »Meinst du mich?« fragte Chaval in herausforderndem Tone.
    »Dich oder einen andern... Da du dich gemeldet hast, solltest du begreifen, daß diejenigen, die essen, nichts bei jenen zu tun haben, die hungern. Du arbeitest im Jean-Bart-Schachte...«
    Eine spöttische Stimme unterbrach den Redner:
    »Der arbeitet... Er hat ein Weib, das für ihn arbeitet.«
    Chaval ward rot vor Wut.
    »Himmelherrgott!« schrie er. »Ist es denn verboten zu arbeiten?«
    »Ja!« rief Etienne. »Wenn die Kameraden für das Wohl aller Not leiden, Ist es verboten, sich als Egoist und Heuchler auf die Seite der Arbeitgeber zu stellen. Wäre der Streik allgemein, dann wären wir längst die Herren... Kein einziger Mann von Vandame hätte anfahren sollen, als Montsou in den Ausstand trat. Es wäre ein Hauptstreich, wenn die Arbeit in der ganzen Umgebung feierte bei Herrn Deneulin ebenso wie hier... Hörst du? In den Schlägen von Jean-Bart gibt es nur Verräter; ihr alle seid Verräter!«
    Die Menge rings um Chaval nahm eine drohende Haltung an; Fäuste wurden in die Höhe gestreckt; man hörte den Ruf: »Schlagt ihn tot!« Chaval erbleichte; doch in seiner wütenden Begierde, über Etienne zu triumphieren, hatte er einen Einfall, der ihn wieder aufrichtete.
    »Höret mich doch!« rief er. »Kommt morgen nach Jean-Bart, und ihr werdet sehen, ob ich arbeite!... Wir halten mit euch, und man hat uns gesandt, um euch dies zu sagen. Man muß die Feuer auslöschen; auch die Maschinisten müssen in den Ausstand eintreten. Wenn die Pumpen stille stehen: um so besser! Das Wasser wird die Gruben ersäufen, und alles wird zu Ende sein.«
    Man klatschte ihm wütend Beifall; Etienne war überflügelt. Die Redner auf dem Baumstumpfe lösten einander ab, gestikulierten in dem Lärm, machten unsinnige Vorschläge. Es war der wahnwitzig gewordene Glaube, die Ungeduld einer religiösen Sekte, welche des Hoffens auf das erwartete Wunder überdrüssig, sich entschloß, es endlich herauszufordern. Durch den Hunger blöd gemacht, war es allen diesen Köpfen rot vor den Augen; sie träumten von Feuer und Blut, aus dem das allgemeine Glück hervorsproß. Der stille Mond tauchte diese wogende Menge in seine Lichtflut; der tiefe Wald umhüllte mit seinem Schweigen diesen ungeheuren Mordruf. Das gefrorene Moos allein krachte unter den Füßen, während die Buchen, aufrecht in ihrer Kraft, mit den zarten Verästelungen ihrer Zweige, schwarz unter dem weißen Himmel, die erbärmlichen Wesen, die sich zu ihren Füßen bewegten, weder sahen noch hörten.
    Jetzt entstand ein Gedränge, und die Maheu gelangte so in die Nähe ihres Mannes; beide waren um ihre gesunde Vernunft gekommen; fortgerissen von der allmählichen Erbitterung, die seit Monaten sie bearbeitete, stimmten sie Levaque zu, der die anderen überbietend, die Köpfe der Ingenieure forderte. Pierron war verschwunden; Bonnemort und Mouque redeten zugleich undeutlich und sehr heftig, was niemand verstand. Zacharias trieb allerlei Ulk und forderte, daß die Kirchen der Erde gleich gemacht würden; Mouquet schlug mit dem Ballschlegel auf die Erde, nur um den Lärm zu vergrößern. Die Weiber wüteten: die Levaque war -- die Fäuste in die Hüften gestemmt -- mit Philomene in heftigen Streit geraten, weil diese angeblich gelacht hatte; die Mouquette sagte, man müsse die Gendarmen mit Fußtritten in den Hintern »niedermachen«; die Brulé, die soeben Lydia geohrfeigt, weil sie das Mädchen ohne Korb und ohne Salat gefunden, fuhr fort, Schläge ins Leere zu führen, für alle Besitzer, die sie hier bei der Hand hätte haben wollen. Johannes war einen Augenblick betroffen, weil Bebert von einem Stößerjungen erfahren, daß Frau Rasseneur sie gesehen habe, wie sie Polen stahlen; aber nachdem er beschlossen hatte zurückzukehren, um vor der Tür der Schenke »zum wohlfeilen Trunk« das Tier unbemerkt wieder loszulassen, heulte er noch stärker, öffnete sein neues Messer und schwang die Klinge ganz stolz, sie glänzen lassen zu können.
    »Kameraden, Kameraden!« wiederholte Etienne erschöpft und sich heiser schreiend, um einen Augenblick Stille zu erlangen, damit man sich endgültig verständigen könne.
    Endlich hörte man

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