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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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gekommen, meine Lieben? Ihr tut unrecht; die Kirche allein kann euch retten ... Versprecht mir, am nächsten Sonntag zu kommen.«
    Maheu schaute ihn an und setzte dann schwerfällig seinen Gang wieder fort, ohne ein Wort zu sagen. Sein Weib antwortete dem Priester.
    »Zur Messe, Herr Pfarrer? Wozu denn? Der liebe Gott kümmert sich wenig um uns. Was hat meine Kleine ihm getan, daß sie von Fieberschauern geschüttelt wird? Wir hatten noch nicht genug des Elends; er mußte mir sie krank machen zu einer Zeit, da ich ihr nicht eine warme Brühe geben kann.«
    Der Priester blieb vor ihnen stehen und hielt eine lange Anrede an sie. Er beutete den Streik aus, dieses furchtbare Elend, diese erbitterte Rache des Hungers; er tat es mit dem Eifer eines Missionars, der um des Ruhmes der Religion willen den Wilden predigt. Er sagte, die Kirche sei mit den Armen, sie werde eines Tages die Gerechtigkeit zum Siege führen, den Zorn Gottes über die Ungerechtigkeiten der Reichen bringen. In Bälde werde dieser Tag leuchten; denn die Reichen hätten sich an die Stelle Gottes gesetzt, regierten ohne Gott, nachdem sie in gottloser Weise die Macht an sich gerissen. Allein wenn die Arbeiter eine gerechte Teilung der irdischen Güter wollten, müßten sie sich sogleich den Priestern anheimgeben, gleichwie bei dem Tode Jesu die Kleinen und Demütigen sich um die Apostel scharten. Welche Macht würde der Papst haben, über welches Heer würde die Geistlichkeit verfügen, wenn sie die zahllose Menge der Arbeiter befehligen würde! In einer Woche würde man die Welt von den Bösewichtern säubern, die unwürdigen Herrn verjagen; es sei endlich das wahre Reich Gottes; jeder werde nach seinen Verdiensten belohnt; das Gesetz der Arbeit werde die allgemeine Wohlfahrt regeln.
    Frau Maheu, die ihm zuhörte, glaubte Etienne zu hören, wenn er ihnen an den Augustabenden das Ende ihres Elends ankündigte. Allein sie hatte gegen die Kutten der Geistlichen stets ein gewisses Mißtrauen gehabt.
    »Was Sie uns da erzählen, ist sehr schön, Herr Pfarrer«, sagte sie. »Aber sind Sie denn nicht mehr in Übereinstimmung mit den Spießbürgern? ... Alle unsere früheren Pfarrer speisten auf der Direktion und drohten uns mit dem Teufel, wenn wir Brot verlangten.«
    Er begann von neuem und sprach von dem beklagenswerten Mißverständnisse zwischen der Kirche und dem Volke. Jetzt zog er in verhüllten Sätzen gegen die städtischen Pfarrer, gegen die Bischöfe los, die nur den Genüssen und der Herrschsucht lebten, in ihrer Verblendung und in ihrem Schwachsinn mit dem liberalen Bürgertum paktierten und nicht sahen, daß eben dieses Bürgertum die Geistlichkeit ihrer Herrschaft über die Welt beraubte. Die Erlösung werde von den Landgeistlichen kommen; sie alle würden sich erheben, um mit Hilfe der Armen und Elenden das Reich Christi wieder herzustellen. Er schien schon an ihrer Spitze zu stehen; er richtete seine knochige Gestalt auf als Anführer, als Revolutionär des Evangeliums, die Augen von einem solchen Lichte erfüllt, daß sie die dunkle Stube erhellten; diese feuereifrige Predigt riß ihn fort, daß er sich in mystischen Worten erging. Diese armen Leute verstanden ihn längst nicht mehr.
    »Es ist unnötig, soviele Worte zu machen,« brummte Maheu plötzlich; »Sie hätten besser damit angefangen, uns ein Brot zu bringen.«
    »Kommt Sonntag zur Messe!« rief der Priester. »Gott wird für alles sorgen.«
    Er ging und trat bei den Levaque ein, um diese zu belehren, entrückt in seinem Traum von dem schließlichen Triumph der Kirche, in solcher Mißachtung der Tatsachen, daß er in dieser Weise die Dörfer durcheilte ohne Almosen, mit leeren Händen durch die Reihen dieser Armen und Hungrigen ziehend, selbst ein armer Teufel, der die Leiden als einen Ansporn zum Heil betrachtete.
    Maheu ging noch immer in der Stube auf und ab; man hörte nichts als seine schweren Tritte, unter denen die Quadern erzitterten. Jetzt vernahm man ein Geräusch wie von einem rostigen Brunnenschwengel: der alte Bonnemort spie in den kalten Kamin. Dann begannen wieder die gleichmäßigen Tritte. Alzire war infolge des Fiebers eingeschlafen und träumte still; sie lachte in dem Glauben, daß es warm sei und daß sie im Sonnenschein spiele.
    »Jetzt glüht sie in Fieberhitze«, murmelte die Maheu, indem sie dem Kinde die Wangen befühlte. »Ich erwarte dieses Schwein nicht mehr; die Räuber werden ihm verboten haben zu kommen.«
    Sie sprach von dem Arzte und von der

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