Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
mir schon unbedingt einen Titel verpassen wollen, dann sagen Sie einfach Professor zu mir.« Mit dem kleinen Nachsatz: »Das ist nämlich das Einzige, wofür ich wirklich etwas getan habe.«
Ja, dachte ich, das passt zu ihm. Die Bescheidenheit in Person. Das ist wahre Größe!
Auch das Essen der Herzogs war immer so bescheiden wie die Gäste selbst. Eine kleine Tasse klare Bouillon und danach ein Stück Fisch. Mehr wurde es nie. Dazu ein Glas Wein. Meiner Empfehlung immer folgend. Einmal konnte ich die beiden auch noch zu einem Salat mit echtem steirischen Kürbiskernöl überreden. Diesen bereitete ich natürlich am Tisch zu. Der Gast soll sehen, was alles ins Dressing hineingemischt wird.
Während ich das Dressing zusammenmixe, rühre ich ein bisserl heftig, so dass ein grünlich-grauer Tropfen Kürbiskernöldressing auf die Tischdecke spritzt. Die Baronin bemerkt das und sagt: »Oh je, der Fleck geht nicht mehr aus der Decke rauszuwaschen«, worauf der Professor antwortet: »Nein, da hast du wohl recht. Aber meine Großmutter sagte immer, Tischdecken mit solchen Flecken muss man in die pralle Sonne legen, die zieht die ganze Farbe wieder heraus.«
Da sich die Geschichte im November ereignete, musste ich mit der Tischdecke allerdings lange Monate, bis zum Sommer, warten, um sie der Sonne aussetzen zu können. Was ich auch tat. Und siehe da: Es klappte. Der Professor und seine Großmutter hatten recht behalten.
Suppe, Salat und Fisch waren nun verspeist. Ordnungsgemäß versuchte ich die Gäste mit einem Nachtisch zu verwöhnen. Es gelang mir auch dieses Mal nicht. Da sich die Adventszeit näherte, gab es aus der Backstube jedoch schon die ersten kleinen Weihnachtsbackwerke. Vanillekipferln, Makronen, Mandelplätzchen, Pfefferkuchen und Zimtsterne. Um den Gästen doch noch etwas Gutes zu tun, servierte ich zum Tee auf einem edlen Silberteller allerlei dieser feinen Bäckereien. Als der Professor die Zimtsterne sieht, beginnen seine Augen zu leuchten. Über den Mund legt sich ein glückliches Lächeln und er sagt: »Ja, wenn Sie mir Zimtsterne geben, dann fang ich an zu schnurren.«
Der rote Rolls-Royce von Roger Whittaker
In Hotels werden in den Zimmern immer irgendwelche Hochglanzmagazine ausgelegt, aus denen die Gäste erfahren können, was in der jeweiligen Stadt gerade »los« ist. So auch im Hotel Vier Jahreszeiten. In einer dieser Zeitschriften befand sich auch ein Interview mit mir. Die letzte Frage der Journalistin war: »Haben Sie in Ihrem Beruf noch einen ganz besonderen Wunsch? Was wäre für Sie noch ein Erlebnis, das Sie erfreuen würde?« Da ich ein Liebhaber schöner Autos bin – hierzu weiter unten mehr – und die Produkte der englischen Nobelmarken für mich reinste Kunstwerke sind, antwortete ich spontan: »Einmal im roten Rolls-Royce von Roger Whittaker um die Alster zu fahren.« Da das Interview in englischer Sprache geführt wurde und ich ein miserables Englisch spreche (wie habe ich mich nur mein ganzes Berufsleben damit durchmogeln können?), verstand die gute englische Journalistin, mein schönstes Erlebnis sei es gewesen , mit dem Rolls-Royce von Roger Whittaker um die Alster zu fahren.
Einige Tage später kam der bekannte Sänger selbst in den Grill, um »seine« Hummercreme, sehr rot, sehr große Portion, zu schmausen. Mit strahlenden Augen berichtete er mir: »Sie stehen in der Zeitung, die auf meiner Suite liegt. Da ist ein Gespräch mit Ihnen abgedruckt.« – »Ja«, sagte ich, »nur leider stimmt nicht, was drin steht, die Zeitungsdame hat mich falsch verstanden.« – »Doch«, erwiderte er, »gleich stimmt es«, und zeigte durch das Fenster auf die Straße. »Draußen steht mein Chauffeur mit dem roten Rolls-Royce, da steigen Sie jetzt ein, fahren um die Alster und alles ist in Ordnung.« Nach einer kurzen Pause fügte er noch hinzu: »Es muss aber heute geschehen, weil ich in den nächsten Tagen einen neuen Rolls-Royce bekomme, und der wird blau sein.« Lächelnd schloss er: »Und wir wollen ja die ganze Wahrheit und nicht die halbe.«
Ich danke Ihnen, lieber Herr Whittaker!
Fritz J. Raddatz – Bahnhofslokal erster Klasse
Der namhafte Literaturkritiker und Autor Fritz J. Raddatz war über viele Jahre hinweg Gast im Jahreszeiten-Grill. Für Abendessen und Gespräche mit Freunden gab’s für ihn in Hamburg nur das Hotel Vier Jahreszeiten. Professor Raddatz ist einer jener Gäste, die gemeinhin als sehr schwierig eingestuft werden. Ist er aber keineswegs. Wenn man weiß,
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