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Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Nährig
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oder das internationale Tagesgeschehen Bezug nahmen. Ob es sich nun um die unendliche Kostengeschichte der Elbphilharmonie handelte oder um den schwächelnden Euro und den Rettungsschirm für notleidende Euroländer: Irgendetwas bot sich immer an, brachte Würze in die Sache und sorgte für Lacher mit bitterem Beigeschmack – ganz im Geiste Nestroys. Auch zum Vortrag der Nestroy-Couplets kleidete ich mich entsprechend. Zeitgemäß mit viel zu engem Anzug und roter Perücke wie Titus Feuerkopf aus Nestroys Talisman .
    Eine große Anforderung stellten für mich Nestroys Texte dar, die oft verquer, verzwickt, vertrackt sind. Zufällig kam ich mit Sven-Eric Bechtolf – Schauspieler und Regisseur am Hamburger Thalia-Theater, am Wiener Burgtheater und zur Zeit Schauspielchef bei den Salzburger Festspielen – ins Gespräch, als er in der Hotelbar beim Drink saß, und berichtete ihm von meinem Martyrium beim Erlernen der schwierigen Texte. Er meinte daraufhin: »Auswendig lernen kann jeder Esel, aber man will es ja auch gut machen, darauf kommt es doch zu guter Letzt an.« Diese Aussage hat mich erst ein wenig erschreckt, aber nach kurzer Überlegung wusste ich, er hat recht. Sein Rat, für den ich ihm heute noch dankbar bin, hat mir vieles leichter und erklärlicher gemacht.
    Nach dem Hauptgericht präsentierte ich dann, als dritten Teil, Ferdinand Raimund (1790–1836), einen weiteren wichtigen Vertreter des alten Wiener Volkstheaters. Die von mir gewählten Raimund-Couplets stammten aus seinen Stücken Der Bauer als Millionär , Der Verschwender oder Der Barometermacher auf der Zauberinsel . Zu diesen Liedern trug ich einen altertümlichen Justaucorps aus rotem Brokatstoff mit prächtigen Ornamentverzierungen, dazu eine große Seidenschleife um den Hals und einen hohen schwarzen Zylinder. Es brachte schon Extra-Applaus, wenn ich nur in dieser neuen Tracht auf die Bühne trat. Zum Abschluss habe ich, zusammen mit einer Sopranistin, immer das wunderschöne Duett »Brüderlein fein« aus dem Bauern als Millionär gesungen. Das war sehr effektvoll: Wenn die Musiker begannen, ihre Introduktion zu spielen, dachte jeder, jetzt müsse mein Gesangseinsatz kommen, aber nein – aus dem Hintergrund erscholl eine glockenhelle Stimme, und hervor trat ein Mädchen, in Gold und Silber gehüllt, Judith Fuchs-Eckhoff, und fing an zu singen. Ich stieg dann mit ein und gemeinsam sangen wir das Duett zu Ende. Einmal habe ich Hans Christian Ockens’ Tochter Rabea Kramp auftreten lassen – eine richtige Opernsängerin. Da war der Teufel los! Als krönenden Abschluss ließ ich danach noch einen Chor aufmarschieren, der, den Hamburger Gästen zu Ehren, »Auf der Reeperbahn nachts um halb eins« sang.
    Diesen Chor zu organisieren und einzustudieren war jedes Mal etwas sehr Mühsames. Es sollten ja nur Mitarbeiter des Hotels sein. Am Anfang waren alle hellauf begeistert. Wenn es dann aber zu den nötigen zeitintensiven Proben kam, für die oft Freizeit geopfert werden musste, hatten alle plötzlich etwas anderes zu tun, und schnell war’s mit dem Enthusiasmus vorbei. Halbherzigkeit ist mir seit eh und je ein Gräuel gewesen. Der musikalische Leiter und ich ließen jedoch nicht locker. Am Abend der Aufführung bekamen alle Chorsänger dann ihren Lohn in Form von reichlich herzlichem Applaus.
    Dann hatte ich noch die Idee, dass auch die Köche, die nach dem Essen immer aufmarschiert kamen und sich vorstellten, ein eigenes Lied singen sollten. Aus den Augen der Gäste konnte ich deren entsprechende Erwartungen ablesen. Köchen das Singen beizubringen ist eine Aufgabe, die sehr viel Geduld und Ausdauer erfordert. Doch schließlich hat es geklappt. Mit Küchenchef Niels Mester an der Spitze sangen sie, auf die Melodie der »Reeperbahn«: »In der Küche stehn wir nachts bis halb eins und kochen dem Gast gern was Fein’s«, und so weiter. Für diese Abende haben sie stets auch wirklich feine Wiener Schmankerl vorbereitet. Der Marmeladenfabrikant Karl-Heinz Johnen erkannte sofort, dass die Palatschinken, die ich auf elegantem Bone-China-Porzellan aus dem Hause Dibbern servieren ließ, mit seiner erstklassigen Zentis-Konfitüre gefüllt waren. Dazu wurde bester Grüner Veltliner aus Niederösterreich gereicht. Wie heißt es in der Bibel so schön: »Frohsinn, Wonne und Lust bringt Wein, zur rechten Zeit und genügsam getrunken« (Jesus Sirach 31,28).
    Das Ganze habe ich dann noch mit einem kleinen Feuerwerk garniert. Meine pyrotechnischen Einlagen

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