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Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Nährig
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womöglich zum Fiasko geworden. Wenn ich die Möglichkeit hatte, fragte ich den einen oder anderen Gast schon im Vorweg, ob es ihm denn angenehm wäre, mit diesen oder mit jenen Leuten zusammenzusitzen. Die meisten Gäste kannten einander. Alle waren sie aus der Hamburger Gesellschaft oder deren Umfeld. Eine Dame aus Winterhude fragte ich bei einem zufälligen Treffen, ob sie denn mit ihrer Nachbarin, die sich auch angemeldet hatte, am gleichen Tisch sitzen wolle. »Bitte nicht, wie schrecklich. Um alles in der Welt nicht mit der!« Auch das gibt es in der »feinen« Gesellschaft.
    An einen runden Tisch mit acht Personen setzte ich nur Ärzte. Das kann nicht schiefgehen, dachte ich. Falsch gedacht. Der eine Arzt nahm dem anderen Arzt Privatpatienten weg. Das fanden die überhaupt nicht amüsant. Wären es Kassenpatienten gewesen, hätte es sicher keine Probleme gegeben. Jedenfalls habe ich nun die Ärzte zu ihren Patienten gesetzt. Das war okay.
    Um es kurz zu machen: Ich habe Direktor Peters nicht blamiert. Der Abend war innerhalb weniger Tage ausgebucht und wurde ein voller Erfolg. Die sonst oft doch eher hanseatisch steif wirkenden Hamburger waren »aus dem Häusl«. In Wien hätte es nicht besser sein können. Es gab Standing Ovations, die Gäste stampften, pfiffen und trampelten mit den Füßen. Kein Gast ist in der Pause gegangen, keiner wollte sein Geld zurück. Marlene und Walter Schmied sagten: »Wir haben in der Welt schon sehr viel gesehen, aber einen Abend, der in einfachster Weise so interessant war, haben wir noch nie erlebt.« Seit diesem Abend haben wir uns nicht mehr aus den Augen verloren.
    Es war wunderbar.

Komplett mit »Orchester« und Chor
    Es folgten noch drei weitere Abende in dieser Form mit Moritz Gogg, Daniel Sarge und mir. Leider bekam der begnadete Pianist einen Ruf an die Wiener Staatsoper, den er auch annahm. Und Moritz wollte mit einem anderen Pianisten nicht auftreten. »Was mach ich jetzt nur!?« Jammerschade. Kaum ist diese gute Idee geboren, ist sie auch schon wieder tot.
    Doch ich gab nicht auf. Ich musste wieder von vorn anfangen. Seit langem war ich mit Ulli Waller vom Sankt Pauli Theater gut bekannt. Als er eines Abends in den Grill kam, um sein geliebtes Beef Tatar zu essen, klagte ich ihm mein Leid. »Ich glaube, ich kann Ihnen helfen«, erwiderte er. So kam ich zum besten Pianisten, den ich je hätte finden können: Professor Matthias Stötzel, der unter anderem im Wiener Burgtheater, im Hamburger Schauspielhaus, im Thalia Theater und eben im St. Pauli Theater als Musiker gewirkt hatte und noch wirkte.
    Mit Moritz und Daniel war das Konzept recht einfach gewesen: Ich serviere, wie immer im Smoking, und wenn’s so weit ist, springe ich auf die Treppe und beginne zu singen. Das war in diesem Trioformat mit zwei Sängern und einem Pianisten so weit in Ordnung gewesen. Nun aber sang ich alleine, ohne einen ausgebildeten Vokalkünstler an meiner Seite, und so erschien mir die alleinige Klavierbegleitung zu wenig für diesen elitären Zuhörerkreis. Ich organisierte, zusammen mit dem Pianisten, noch eine Violine, Dana Anka, und ein Cello, Boris Matchin, beides Mitglieder des Nathan Quartetts. Später kam noch Rupert Wachter, Soloklarinettist an der Staatsoper, dazu. Nun hatte ich ein regelrechtes kleines Theaterorchester beisammen.
    Der Abend war von nun an in drei unterschiedliche Themenabschnitte unterteilt, wozu ich mir jeweils verschiedene Kostüme anzog. Den ersten Teil bildeten die Wienerlieder. Dafür hatte ich einen steirischen Trachtenanzug vorgesehen. Wenn’s etwas deftigere Lieder wurden, zog ich meine Jacke aus, krempelte die Hemdsärmel hoch und setzte mir eine Melone auf den Kopf wie die Fiaker in Wien.
    Den zweiten Teil, nach der Suppe, widmete ich, wie sollte es auch anders sein, dem in diesen Zeilen ja schon wiederholt genannten Wiener Bühnenautor, Satiriker, Schauspieler und Sänger Johann Nepomuk Nestroy (1801–1862). Zu seinen bekanntesten Stücken zählen, um nur wenige zu nennen, Lumpazivagabundus , Der Zerrissene und Der Talisman . Aus diesen »Possen mit Gesang« suchte ich mir bestimmte Lieder aus, sogenannte Couplets, und gab sie zum Besten. Nestroys Couplets waren meist etwas zeitkritisch ausgerichtet, und er hat sie so geschrieben, dass sie relativ leicht dem jeweiligen Zeitgeist angepasst werden können. Genau das tat ich auch. Eine langjährige gute Freundin, Elisabeth Chrobok, schrieb mir für viele dieser Lieder Texte, die auf das Hamburger

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