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Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Nährig
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Runter zur S-Bahn, der Zug fuhr ein, ich saß. Nun hatte ich noch den letzten Kampf zu bestehen: das Ringen mit der Plastikverpackung. Doch so sehr ich mich auch mühte, es gelang mir nicht, die Wurst zu befreien. Ich obsiegte nicht; nein, ich verlor. Diesen Kampf, dachte ich, muss jetzt eben Slava im Bus nach Belgrad austragen, wenn sie an die köstliche Wurst kommen möchte. Sie hat ja 36 Stunden Zeit.
    Acht Minuten vor zehn bin ich am ZOB. Der Bus ist voll. Und Slava nicht da. Im letzten Augenblick kommt sie hastig schnellen Schrittes, über und über mit Plastiksäcken und Kartons beladen, ganz außer Atem. »Ich haben verschlafen. Altes Wecker nicht hat geklingelt.«
    Wie ich sagte, auf mich ist Verlass.
    So viel zum Thema Kundenfreundlichkeit.
Frau Marxen und die Freunde
    Frau Marxen war eine der charmantesten Schiffsmaklersgattinnen in Hamburg. Die Dior-Brille handtellergroß im Gesicht, beschritt sie die Hotelhalle. Eine mit ihr verabredete Dame kam in den Grill und fragte mich: »Ist Frau Marxen schon da?« Worauf ich antwortete: »Nein.« Dabei ließ ich meinen Blick über die Hotelhalle gleiten und fuhr fort: »Aber sie wird gleich eintreffen, die Brille hab ich schon gesehen.« Ja, so erinnere ich sie: edel-schlichtes, meist graues oder dunkelblaues Ensemble aus dem Hause Hoffmann und nussbrauner Teint. Sommer wie Winter. Immer freundlich. Der unverzichtbare Martini-Cocktail, nur gerührt, war ihr Liebstes. Immer ein Lob für Küche und Service. Sie betreuen zu dürfen war wohltuend für alle Beteiligten.
    Dann starb der Ehemann. Ein neue, unerwartete Situation kam auf sie zu. Bei einem einsamen Mittagessen an einem tristen Novemberabend im Jahre 1999 klagte sie mir ihr Leid. »Als mein Mann noch voll im Geschäftsleben involviert war«, erzählte sie, »waren wir jeden Abend eingeladen, wir konnten uns aussuchen, wo wir hingehen und was uns am besten gefällt.« Dann breitete sie die Arme aus und sagte traurig: »Seit er tot ist, lädt mich niemand mehr ein.« Da kullerten der Frau, die sich immer so gut im Griff gehabt hatte, Tränen über die braunen Wangen. »Wenn ich jemanden anrufe, sind sie nicht da oder haben keine Zeit«, fährt sie fort. »Dieselben Leute, die uns früher so gut waren, wollen mit der Witwe nichts mehr zu tun haben.« Dann richtet sie sich auf und sagt mit stolzer Trauer: »Die Gesellschaft ist unerbittlich. Ohne Mann gilt die Frau nicht viel, manchmal gar nichts.« Ich gebe mir Mühe, sie zu trösten. Meine seelsorgerische Anlage kommt mir dabei zugute.
    Und dabei halten wir uns immer so viel auf unsere angebliche Gleichstellung der Geschlechter zugute, denke ich im Stillen. Rühmen uns, dass bei uns keine Zustände herrschen wie im Orient. Aber wie viel weiter sind wir wirklich?
Ein Kompliment aus feuchten blauen Augen
    Wenn man einen dreizehnjährigen Sohn hat und selbst aussieht wie fünfundzwanzig, dann hat entweder der Schönheitschirurg zugeschlagen oder man ist von Gott mit der ewigen Jugend gesegnet. Eine Art weiblicher Dorian Gray. Claudia Esser ist in diese Sparte einzureihen. Eine bekannte Headhunterin – ein barbarischer Begriff; wie das Wort schon sagt, die milde Form von Kopfjäger. Im Fall von Frau Dr. Claudia Esser stimmt die Theorie nicht mit der Praxis überein.
    Immer lächelnd. Die kleinen blauen Augen stets verschmitzt und strahlend. Wenn sie erscheint, denkt man an eine frisch gewaschene, aufgehende Frühlingssonne. Goldblondes Haar, immer akkurat, doch leicht verwegen gestylt. Charismatisch bis in die Zehenspitzen. Zierliche Figur, fast fragil. Ihre echte und ehrliche Herzlichkeit ist berührend.
    »Als ich anfing, in Hamburg Fuß zu fassen und Ihr Restaurant nur selten besuchen konnte, haben Sie mich so nett behandelt und verwöhnt, als sei ich schon zwanzig Jahre guter Stammgast in Ihrem Haus«, erinnert sie sich, mit feuchten Augen und leicht zittriger Stimme. »Sie sind für mich eine Art Heimat geworden. Das werde ich Ihnen nie vergessen.«
    Ja, wenn man derart ehrliche, tief empfundene Komplimente zu hören bekommt, dann ist doch das angepeilte Ziel schon ein Stück weit erreicht. Viel mehr zu wollen wäre vermessen. Bei dieser Dame brauchte die übliche Gast-Kellner-Schranke nicht erst zu fallen, sie existierte gar nicht. Sie hat mir einmal einen Brief geschrieben mit dem wunderschönen Satz: Zwei blaue Augen finden sich, auch wenn sie grün angemalt sind.
Familiäre Modenschau am 24. Dezember
    Die schönste »Modenschau« einer Hamburger

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