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Gerron - Lewinsky, C: Gerron

Titel: Gerron - Lewinsky, C: Gerron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
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unserem Aufnahmewinkel sieht man den Fehler nicht.»
    Er ist mir dankbar. Reckt den Daumen nach oben, bevor er aus dem Fenster springt.
    582. Der Springer taucht ins Wasser. Beim Schneiden im Moment, wo das Wasser nach dem Sprung aufspritzt, das Schild «Bad» folgen lassen.
    Das Schild ist nicht mehr da. Sie haben das Bühnenbild zu früh abgebaut. Das Schild auf den Karren geworfen. Ich brauche es für den Schnitt. Für den Anschluss. Es gehört zum Film. Nichts, was zum Film gehört, darf verbrannt werden.
    Nichts darf verbrannt werden.
    583. Fahraufnahme. Aufgenommen vom Dach des Reportagewagens und endigend auf der anderen Seite des Bades.
    Die Leute müssen im Wasser bleiben. Ich muss ihnen das sagen. Nur die Köpfe dürfen sie herausstrecken. Nur die Köpfe. Im Wasser bleiben, bis der Krieg vorbei ist. Die Russen stehen schon in Brüssel. Im Wasser bleiben. Sonst sieht man, dass sie keine gelben Sterne haben.
    586. Nah. Vom Boot aus aufgenommen: Schwimmer.
    587. Nah. Von der Steintreppe aus gesehen: Schwimmer.
    588. Nah. Von oben gesehen: Schwimmer.
    Schwimmer. Schwimmer. Schwimmer.
    «Ich bin ertrunken», sagt Frau Olitzki. «Weil es ein fremder Badeanzug war.»
    «Setzen Sie sich an die Schreibmaschine», sage ich. «Mein Rücken tut mir weh.»
    Sie steht hinter mir und legt ihre Hände auf meine Schultern. Beugt ihr Gesicht über meinen Kopf. Tropfen fallen auf mich. Sie ist ertrunken.
    «Du bist so fleißig», sagt sie.
    Sie hat sich ihre Haare abschneiden lassen. Ohne mich zu fragen. Sie sind jetzt ganz kurz. Stachlig.
    «Sie sind ein Igel», sage ich.
    Wenn sie den Kopf bewegt, spritzt Wasser in alle Richtungen.
    «Warum hast du das Fenster nicht geschlossen?», fragt sie. «Hast du nicht gemerkt, dass es regnet?»
    «Ich arbeite», sage ich.
    «Du wirst immer schussliger.»
    Olga. Natürlich. Es ist Olga.
    Meine Frau.
    593. Groß. Ein junges Mädel.
    «Wie weit bist du gekommen?», fragt sie mich.
    «Bis zum Egerbad.»
    «Ist das weit?»
    «Etwa die Hälfte», sage ich.
    Die Hälfte wovon? Ich habe es vergessen.
    «Geht es deinem Bauch besser?», fragt sie. «Ich habe dir dein Essen gebracht.»
    Sie kommt zu spät. Die Szene im Speisesaal ist bereits geschnitten.
    Schwenkaufnahme. Vom Büffet kommen die Kellnerinnen mit Tabletts und vollen Schüsseln und servieren.
    «Suppe und Knödel», sagt sie.
    Sie bringt alles durcheinander.
    Sehr nah. Die Hand des Kochs greift in das Fass und schöpft Kraut in einen Topf.
    «Kraut», sage ich.
    «Heute nicht», sagt sie.
    «Tomaten», sage ich.
    Drei Mädels auf der Liegebank bekommen Tomaten. Ich bin sicher, dass wir die Einstellung gedreht haben. Zuerst hat es geregnet, und dann hat es nicht mehr geregnet, und dann haben wir gedreht. Die Mädels haben Tomaten gegessen, und die SS konnte nichts dagegen machen. Weil ich es angeordnet habe. Für den Film. Niemand ist wichtiger als der Regisseur. Niemand.
    «Deine Suppe wird kalt», sagt Olga.
    Sie versteht nicht, dass ich nicht gestört werden darf. Der Schnittplan muss fertig werden. Turkavka ist ein Philosoph, und er hat es auch gesagt. «Der Schnittplan ist die Essenz», hat er gesagt. «Das Wichtigste überhaupt.»
    «Hast du Fieber?», fragt Olga.
    Wir müssen die Szene in der Krankenstation noch einmal drehen. In neuer Besetzung. Frau Olitzki statt Hertha Ungar. «Hertha Ungar ist ertrunken», sage ich.
    «Du hast Fieber», sagt Olga.
     
    Und der Haifisch, der hat Zähne. Oberstudiendirektor Kramm schreibt es an die Tafel. In diesen großen Zeiten. In deiner Brust sind deines Schicksals Sterne. Du musst die Zähne zusammenbeißen, Wallenstein. Ich will nicht zum Zahnarzt gehen. Ein deutscher Soldat kennt keine Angst. Feldwebel Knobeloch hat seinen Text vergessen. Die Pisse läuft ihm aus dem Hosenbein. «Größenwahn ist die halbe Miete für ein Kumbal», sagt er. Er heißt gar nicht Bertolt. Er meint das nur. Er heißt Eugen. Diesen Haufen Scheiße konnte nicht einmal Hitler wegschaufeln. Wie leeren sie eigentlich die Latrinen? Es wachsen Rosen aus ihnen. Er hat Olga eine geschenkt. Ihre Hand blutet. Ich werde mich bei Rahm beschweren. «Herr Oberstudiendirektor», werde ich sagen. Er heißt Gemmeker. Er ist ein verrückter König und baut sich ein Schloss. Ein Schloss ohne Schlüssel. Schlüsselschloss. Schlossschlüssel. Er fährt in einem Schlitten über den See. Nach Kriescht. Kriiiescht. Kriiiiiiescht. Napoleon kommt aus Braunau. Wir sind hier nicht in Kriescht. Wir sind in Amsterdam in Paris in

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