Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
mei!« sagte Ge-ga und erbleichte.
Berliner Zehner – Der schmale Band schließt mit einem Text, der hoffentlich einiges erklärt – z.B. warum er so schmal geraten mußte–, und der vermutlich ein Rätsel aufgibt: Was hat es mit der »graphischen Baßlinie« auf sich, von der da kurz vor Schluß die Rede ist?
Nun – in der Buchausgabe werden die Worte von Bildern begleitet, von Zeichnungen, welche sich am unteren Buchrand entlangziehen. In diesen Gesammelten Gedichten präsentieren sich die Hauptstadtgedichte erstmals pur, jedoch nicht ohne die abschließende
Danksagung
Gelegenheit macht Gedichte – doch wer macht Gelegenheiten? Im vorliegenden Fall waren es zwei Helfer.
An erster Stelle das Wissenschaftskolleg zu Berlin, das mich eingeladen hatte, von Oktober 1999 bis Juli 2000, also zehn Monate lang, Fellow des Kollegs und poet in residence zu sein. Zwei längeren Berlin-Aufenthalten – 1958/59 als Student an der Hochschule für Bildende Künste und 1961/64 als Student erwähnter Hochschule und der Freien Universität – schloß sich nun ein dritter, der bei weitem komfortabelste, an.
Das Wissenschaftskolleg ist eine vergleichsweise würdige Institution, sie erblickte das Licht der Geisteswelt im Jahre 1980. Bedeutend jünger, bei Lichte besehen noch gar nicht trocken hinter den Ohren, war der zweite Helfer. Seit September 1999 waren der Berliner Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Berliner Seiten beigelegt; im Oktober fragte mich Florian Illies, einer der Blattmacher, am Rande der Frankfurter Buchmesse, ob ich mir vorstellen könne, während meines Berlin-Aufenthalts auf besagten Seiten jeden Monat poetische Bilanz zu ziehen – vielleicht in der Nachfolge der Monatsgedichte eines Erich Kästner…?
Ich bejahte, doch es kam anders. Die Monatsgedichte , ein Spätwerk Kästners, hatten – einigermaßen ortlos – vom ewigen Wechsel der Jahreszeiten gehandelt; kaum in Berlin etabliert, wurde mir klar, daß die Chance der von mir zugesagten Gedichte darin bestand, so ortsgebunden wie möglich und so zeitgebunden wie nötig zu sein. Das führte so weit, daß ich häufig vor Ort dichtete, im sechsten Stock des alteingesessenen KaDeWe beispielsweise oder im Häuser-, Straßen- und Gaststättenverbund des blitzneuen Potsdamer Platz, den ich mit Heft, Stift und der Ablichtung eines Gedichts von Erich Kästner, Besuch vom Lande , durchstreifte.
Ein Gedicht aus Kästners so fruchtbaren wie frühen Berliner Jahren, einer Zeit, in welcher er oft wöchentlich für Tageszeitungen und auf Termin dichtete – verglichen damit war meine poetische Ernte moderat: zehn Monate – zehn Gedichte.
Doch schon diese Regelmäßigkeit bescherte mir eine neue Erfahrung: Spätestens Mitte jeden Monats begann meine Ausschau nach der Göttin der Gelegenheit, welche es nach Sitte und Vorbild der Alten im rechten Moment beim Schopf zu packen galt.
Daß ich diese Doppelhandvoll wie auch immer geglückter Zugriffe dem Berliner Leser vorstellen durfte, daß ich sie, begleitet von einer graphischen Baßlinie, in die auch außerberlinische Welt entlassen kann, ist den erwähnten Helfern zu danken. Mag sich nun besagte Welt einen Reim auf den Berliner Zehner machen.
Einer der Gründe dafür, daß Menschen seit Jahrtausenden Gedichte verfassen, ist sicherlich das Bedürfnis, angesichts einer chaotischen Welt Ordnung zu stiften, und das ausgerechnet mittels einer wildwüchsigen Sprache, die es freilich geradezu danach zu drängen scheint, einmal die Kandare zu spüren. Also legt der Mensch ihr die Rhythmus-Zügel an, lehrt sie in ausgefallensten Metren zu schreiten, sattelt den Reim drauf und ersinnt weitere Ordnungs- und Gängelungssysteme, welche der bereits straff Geführten noch vertracktere Kunststücke abverlangen. In die Zucht des Anagramms, Lipogramms oder Palindroms nahmen bereits die Alten ihre Sprachen – in keiner dieser Disziplinen hat sich meine Sprache unter meiner Feder bewähren müssen. Dafür verlangte ich ihr andere Volten ab, Dressuren, für welche ich nicht einmal eingeführte Begriffe weiß, weshalb ich mich mit selbstgeschaffenen begnügen muß:
Ich verfasste monosyllabe Gedichte, also solche, bei welchen lediglich einsilbige Wörter zugelassen waren. Paradierte damit jedoch nicht als erster in der deutschen Dichter-Arena, da bereits Johann Heinrich Voss in einer seiner Klingsonate -Variationen dem Deutsch die gleiche Disziplin abverlangt hatte. Ich schrieb monovokale Gedichte, in
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