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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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gewöhnlicher Junge, der unter seinen Klassenkameraden, die größtenteils Slawen waren, nur durch seine pechschwarzen glatten Haare auffiel, auf die er sehr stolz war und die er immer schulterlang tragen wollte. So war es bis zum November des Jahres’47.

    Am 16. November entdeckte Jadwiga Michailowna bei einer Routineuntersuchung in Ljowas rechter Armbeuge einen kleinen blauen Fleck, der leicht angeschwollen war. Nun ist ein blauer Fleck bei einem Jungen keine Seltenheit, weshalb Jadwiga Michailowna ihm keinerlei Aufmerksamkeit schenkte. Und sie hätte ihn sicherlich vergessen, hätte sich nach einer Woche, am 23. November, nicht herausgestellt, dass dieser Fleck noch immer da war und obendrein eine seltsame Veränderung durchgemacht hatte. Man konnte ihn eigentlich schon nicht mehr als blauen Fleck bezeichnen; eher war es eine Art Tätowierung - ein braungelbes kleines Mal in Form eines kyrillischen »she«. Vorsichtige Fragen ergaben, dass Ljowa Abalkin keine Ahnung hatte, wie und warum er dazu gekommen war. Offensichtlich hatte er es bisher nicht einmal bemerkt.
    Nach einigem Zögern hielt es Jadwiga Michailowna für ihre Pflicht, Dr. Sikorsky von ihrer Entdeckung in Kenntnis zu setzen. Dieser nahm die Information zunächst ohne jedes Interesse auf; Ende Dezember aber rief er Jadwiga Michailowna plötzlich per Videofon an und erkundigte sich, was aus dem Muttermal bei Lew Abalkin geworden sei. Es sei unverändert, antwortete Jadwiga Michailowna. Sie war etwas verwundert. Wenn es Ihnen keine Umstände macht, bat Dr. Sikorsky, dann fotografieren Sie diesen Fleck bitte so, dass der Junge es nicht merkt, und schicken mir das Foto.
    Lew Abalkin war das erste der »Findelkinder«, bei dem das Zeichen in der rechten Armbeuge aufgetaucht war. Im Laufe der folgenden zwei Monate erschienen Muttermale von mehr oder weniger verschlungener Form bei weiteren acht »Findelkindern«: Anfangs tauchte stets ein leicht geschwollener blauer Fleck auf, ohne äußere Ursachen oder Schmerzempfindungen, und eine Woche später - ein braungelbes Zeichen. Ende’48 trugen alle dreizehn das »Siegel der Wanderer «. Und da wurde eine sehr erstaunliche und
schreckliche Entdeckung gemacht, die zu dem Begriff »Zünder« führte.
    Wer den Begriff prägte, lässt sich nicht mehr feststellen. Nach Rudolf Sikorskys Ansicht brachte er aber sehr genau, ja, fast bedrohlich die Sache auf den Punkt. Noch im Jahre’39, ein Jahr nach der Geburt der »Findelkinder«, hatten Xenotechniker, die mit der Demontage des leeren Inkubators beschäftigt waren, in seinem Innern einen langen Kasten aus Elektrin gefunden, der dreizehn graue runde Scheiben mit Hieroglyphen darauf enthielt. Im Innern des Inkubators waren damals noch weitaus rätselhaftere Dinge entdeckt worden als dieser Futteralkasten, weshalb ihm niemand besondere Beachtung schenkte. Das Futteral wurde ins Museum für Außerirdische Kulturen gebracht und in der sekretierten Ausgabe der »Materialien zum Sarkophag-Brutkasten« als Element des Lebenserhaltungssystems beschrieben. Erfolgreich überstand es den Vorstoß eines Forschers, der herauszufinden versucht hatte, was es war und wozu es diente … Danach überführte man es in die schon überfüllte Spezialabteilung für »Objekte der materiellen Kultur ungeklärter Bestimmung«, wo es wie gewünscht für ein ganzes Jahrzehnt vergessen wurde.
    Anfang’49 betrat Rudolf Sikorskys Assistent für die Angelegenheit der »Findelkinder« (nennen wir ihn einmal Iwanow) das Arbeitszimmer seines Chefs und legte einen Projektor vor ihn hin, der auf Seite 211 von Band sechs der »Materialien zum Sarkophag« eingeschaltet war. Seine Exzellenz warf einen Blick darauf und erstarrte. Er sah eine Fotografie des »Lebenserhaltungselements 15/156 A«: dreizehn graue runde Scheiben, die in den Fassungen eines Bernsteinfutterals lagen. Und dreizehn verschlungene Hieroglyphen - eben jene, über die er schon aufgehört hatte, sich den Kopf zu zerbrechen, die er aber von dreizehn Fotos kindlicher Armbeugen gut kannte. Ein Zeichen pro Ellenbogen. Ein Zeichen pro Scheibe. Eine Scheibe pro Ellenbogen.

    Das konnte kein Zufall sein; es musste etwas bedeuten. Etwas sehr Wichtiges. Rudolf Sikorskys erster Impuls war, das »Element 15/156 A« sofort aus dem Museum anzufordern und bei sich im Safe zu verstecken. Vor allen, vor sich selbst. Er war erschrocken. Einfach zutiefst erschrocken. Und am schlimmsten war, dass er nicht einmal begriff, wovor er sich

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