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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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seinem Arbeitszimmer, und es wurde schon hell, als er seine Erzählung beendete. Er verstummte, erhob sich schwer und ging, ohne mich anzusehen, Kaffee kochen.
    »Du kannst Fragen stellen«, knurrte er.
    Bis zu diesem Augenblick hatte in mir ein einziges Gefühl vorgeherrscht: ein großes, ja grenzenloses Bedauern, dass ich das alles erfahren hatte und jetzt darin verwickelt war. Jeder normale Mensch, der ein normales Leben führte und einer normalen Arbeit nachging, hätte diese Geschichte als eines der vielen phantastischen und grausigen Märchen aufgefasst, die immer wieder an der Grenze zwischen dem Erschlossenen und dem Unbekannten entstehen. Sie erreichen uns in einer bis zur Unkenntlichkeit verzerrten Form und haben die wunderbare Eigenschaft - so bedrohlich und furchteinflößend sie auch sein mögen -, zu unserer hellen, freundlichen Erde in keiner direkten Beziehung zu stehen und nicht den kleinsten Einfluss auf unser tägliches Leben zu besitzen. Denn alles war schon immer von irgendjemandem irgendwo bereinigt worden, wurde gerade bereinigt oder würde binnen kürzester Zeit bereinigt sein.
    Aber ich war ja leider kein normaler Mensch. Ich war just einer von denen, deren Aufgabe es war, die Dinge zu bereinigen. Mir war klar, dass dieses Geheimnis bis zum Ende meiner Tage auf meinen Schultern lasten würde. Und dass ich mit dem Geheimnis eine Verantwortung übernahm, um die ich nicht gebeten hatte, und die ich wirklich nicht brauchte. Mir war klar, dass ich von nun an Entscheidungen zu fällen hatte und deswegen alles wissen und verstehen musste, was
in der Angelegenheit schon bekannt war - nach Möglichkeit noch mehr. Und das bedeutete, sich weiter in dieses Geheimnis zu verstricken - in ein Geheimnis, das genauso widerlich war wie all unsere Geheimnisse, ja, noch widerlicher. Gegenüber Seiner Exzellenz empfand ich eine geradezu kindische Dankbarkeit, weil er bis zuletzt versucht hatte, mich vom Abgrund dieses Geheimnisses fernzuhalten. Auf eine noch kindischere Art und Weise aber ärgerte ich mich über ihn und schimpfte, weil er mich schließlich doch nicht hatte davor bewahren können.
    »Hast du keine Fragen?«, erkundigte sich Seine Exzellenz.
    Ich gab mir einen Ruck. »Sie sind also der Ansicht, dass das Programm in Aktion getreten ist und Lew Abalkin Tristan ermordet hat?«
    »Lass uns logisch überlegen.« Seine Exzellenz stellte die Tassen auf den Tisch, goss vorsichtig Kaffee ein und setzte sich. »Tristan war sein beobachtender Arzt. Einmal pro Monat trafen sie sich irgendwo im Dschungel, und Tristan führte eine prophylaktische Untersuchung durch. Angeblich, um routinemäßig den Grad der psychischen Anspannung des Progressors zu überprüfen, in Wahrheit aber, um sich zu vergewissern, dass Abalkin auch weiterhin ein Mensch ist. Auf dem ganzen Planeten Saraksch kannte nur Tristan die Nummer meines Sonderkanals. Am dreißigsten, spätestens am einunddreißigsten Mai hätte er mir dreimal die Sieben durchgeben müssen - ›alles in Ordnung‹. Aber am achtundzwanzigsten, dem Tag, der für die Untersuchung vorgesehen war, kommt Tristan um. Und Abalkin flieht auf die Erde. Flieht auf die Erde und hält sich verborgen. Dann ruft er, Lew Abalkin, mich über den Sonderkanal an, den nur Tristan kannte.« Seine Exzellenz trank den Kaffee mit einem Zug aus, schwieg eine Weile und biss auf seinen Lippen herum. »Ich glaube, du hast die Hauptsache noch nicht begriffen, Mak. Wir haben es nicht mehr mit Lew Abalkin zu tun, sondern mit den Wanderern
. Lew Abalkin gibt es nicht mehr. Vergiss ihn. Was da auf uns zukommt, ist ein Werkzeug der Wanderer .« Wieder verstummte er für eine Weile. »Ehrlich gesagt, kann ich mir nur sehr schwer vorstellen, wie man Tristan dazu gebracht hat, meine Nummer zu verraten, erst recht an Lew Abalkin. Und ich fürchte, man hat ihn nicht einfach nur umgebracht.«
    »Sie nehmen also an, dass das Programm ihn antreibt, nach den Zündern zu suchen?«
    »Ich kann nichts anderes annehmen.«
    »Aber Abalkin hat doch keine Ahnung von den Zündern. Oder hat Tristan das etwa auch verraten?«
    »Tristan wusste nichts davon. Auch Lew Abalkin weiß nichts davon. Das Programm weiß es!«
    »Und wie verhält sich Jašmaa? Die anderen?«
    »Alles im Bereich der Norm. Aber die Zeichen sind ja auch nicht bei allen gleichzeitig aufgetaucht. Abalkin war der Erste.«
    Seine Exzellenz hatte also bezüglich der anderen Mehrlinge schon die notwendigen Maßnahmen ergriffen. So brauchte ich Gott sei

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