Gesammelte Werke 1
wird gut.
Wenn es nun aber kein ›Käfer im Ameisenhaufen‹ ist? Sondern ein ›Iltis im Hühnerstall‹? Weißt du Mak, was das ist - ein Iltis im Hühnerstall?« Und da explodierte er. Er donnerte mit den Fäusten auf den Tisch, starrte mich aus wütenden grünen Augen an und brüllte los: »Diese Schufte! Vierzig Jahre meines Lebens haben sie mir gestohlen! Vierzig Jahre lang machen sie schon eine Ameise aus mir! Ich kann an nichts anderes denken! Sie haben einen Angsthasen aus mir gemacht! Ich erschrecke vor meinem eigenen Schatten, traue meinen eigenen Gedanken nicht mehr. Na, was starrst du mich so an? In vierzig Jahren wirst du genauso sein, vielleicht schon viel früher, denn die Ereignisse folgen immer schneller aufeinander! Sie werden sich so entwickeln, wie wir Alten es uns nicht hätten träumen lassen. Und wir werden allesamt in Pension gehen, weil wir nicht damit fertig werden. Dann wird das alles auf euch zukommen. Aber auch Ihr werdet nicht damit fertig werden. Weil ihr …«
Er brach plötzlich ab, blickte nicht mich an, sondern über meinen Kopf hinweg. Und stand langsam vom Tisch auf. Ich drehte mich um.
Auf der Schwelle, in der offenen Tür, stand Lew Abalkin.
4. JUNI’78
Lew Abalkin in natura
»Ljowa!«, sagte Seine Exzellenz mit Erstaunen und Rührung in der Stimme. »Mein Gott, guter Freund! Was haben wir Sie gesucht!«
Lew Abalkin machte eine Bewegung - und mit einem Mal stand er direkt am Tisch. Kein Zweifel, das war ein Progressor der neuen Schule, ein echter Profi, und noch dazu einer der besten. Ich musste mich ziemlich anstrengen, um seinem Tempo folgen zu können.
»Sie sind Rudolf Sikorsky, der Leiter der KomKon 2«, sagte er mit leiser, unerwartet ausdrucksloser Stimme.
»Ja«, erwiderte Seine Exzellenz, wobei er freundlich lächelte. »Aber warum so förmlich? Setzen Sie sich, Ljowa …«
»Ich werde im Stehen sprechen«, sagte Lew Abalkin.
»Ich bitte Sie, Ljowa, was soll das? Setzen Sie sich, es steht uns eine lange Unterhaltung bevor.«
»Nein«, sagte Abalkin. Mich würdigte er keines Blickes. »Es wird keine lange Unterhaltung. Ich will mich nicht mit Ihnen unterhalten.«
Seine Exzellenz war entsetzt. »Was heißt - Sie wollen nicht?«, fragte er. »Sie, mein Lieber, sind im Dienst und verpflichtet, Bericht zu erstatten. Wir wissen immer noch nicht, was mit Tristan passiert ist … Was heißt - Sie wollen nicht?«
»Ich bin einer von ›dreizehn‹?«
»Dieser Bromberg …«, murmelte Seine Exzellenz verärgert. »Ja, Ljowa. Leider sind Sie einer von den ›dreizehn‹.«
»Es ist mir verboten, mich auf der Erde aufzuhalten? Und ich muss mein Leben lang unter Aufsicht bleiben?«
»Ja, Ljowa. So ist es.«
Abalkin hatte sich großartig unter Kontrolle. Sein Gesicht war völlig reglos, und die Augen hatte er halb geschlossen, als
döse er im Stehen vor sich hin. Ich aber spürte, dass wir hier einen Menschen vor uns hatten, der kurz vor einem Wutausbruch stand.
»Also, ich bin hergekommen, um Ihnen zu sagen«, führte Abalkin mit noch immer leiser, ausdrucksloser Stimme fort, »dass Sie uns dumm und gemein behandelt haben. Sie haben mein Leben kaputtgemacht und im Ergebnis nichts erreicht. Ich bin auf der Erde und habe nicht vor, sie jemals wieder zu verlassen. Bitte beachten Sie auch, dass ich Ihre Aufsicht nicht länger dulde und mich ohne Pardon davon befreien werde.«
»Wie von Tristan?«, erkundigte sich Seine Exzellenz beiläufig.
Abalkin schien diesen Einwurf überhört zu haben. »Ich habe Sie gewarnt«, sagte er. »Jetzt haben Sie es sich selbst zuzuschreiben. Ich habe vor, zukünftig so zu leben, wie es mir passt, und fordere Sie auf, sich nicht länger in mein Leben einzumischen.«
»Gut. Wir werden uns nicht einmischen. Aber sagen Sie mir, Ljowa, hat Ihnen Ihre Arbeit nicht gefallen?«
»Jetzt werde ich mir meine Arbeit selbst aussuchen.«
»Sehr gut. Hervorragend. Und in der freien Zeit bemühen Sie bitte Ihre Phantasie und versuchen, sich an unsere Stelle zu versetzen. Was hätten Sie mit den ›Findelkindern‹ gemacht?«
Eine Art Lächeln huschte über Abalkins Gesicht. »Da gibt es nichts zu überlegen«, sagte er. »Das ist offensichtlich. Sie hätten mir alles erzählen, mich zu Ihrem bewussten Verbündeten machen müssen.«
»Und Sie hätten sich dann nach ein paar Monaten das Leben genommen? Immerhin ist es schrecklich, Ljowa, sich als Gefahr für die Menschheit zu fühlen; das hält nicht jeder aus.«
»Unsinn. Das sind alles nur
Weitere Kostenlose Bücher