Gesammelte Werke 1
Wahnvorstellungen Ihrer Psychologen. Ich bin ein Erdenmensch! Als ich erfuhr, dass ich
mich nicht auf der Erde aufhalten darf, habe ich fast den Verstand verloren. Nur Androiden dürfen nicht auf der Erde leben. Also bin ich wie ein Verrückter hin und her gerannt und habe nach Beweisen gesucht, dass ich kein Android bin, dass ich eine Kindheit hatte, dass ich mit den Kopflern gearbeitet habe. Sie hatten Angst, mich um den Verstand zu bringen? Nun, das wäre Ihnen fast gelungen!«
»Aber wer hat denn gesagt, dass Sie nicht auf der Erde leben dürfen?«
»Was denn - ist es nicht wahr?«, erkundigte sich Abalkin. »Darf ich etwa auf der Erde leben?«
»Jetzt - ich weiß nicht … Vielleicht, ja. Aber urteilen Sie selbst, Ljowa! Auf dem ganzen Saraksch wusste nur Tristan, dass Sie nicht zur Erde zurückkehren dürfen. Und er kann es Ihnen nicht gesagt haben … Oder doch?«
Abalkin schwieg. Sein Gesicht blieb nach wie vor reglos; doch auf den bleichen Wangen traten jetzt graue Flecken hervor, als wären es Spuren alter Flechten - er ähnelte jetzt einem pandeischen Derwisch.
»Nun gut«, sagte Seine Exzellenz, nachdem er eine Weile gewartet hatte. Er musterte demonstrativ seine Fingernägel. »Mag Tristan es Ihnen dennoch erzählt haben. Ich verstehe nicht, warum er das tat, aber was soll’s. Warum hat er Ihnen dann nicht den Rest erzählt? Warum hat er Ihnen nicht erzählt, dass Sie eines der ›Findelkinder‹ sind, warum nicht die Gründe für das Verbot erklärt? Schließlich gab es Gründe, und recht gewichtige, was Sie auch davon halten mögen …«
Ein leichtes Zucken lief jetzt über Abalkins Gesicht, dann verlor es auf einmal an Härte, schien kraftlos geworden, der Mund öffnete sich ein wenig, und die Augen waren weit aufgerissen, als sei er verwundert … Und zum ersten Mal hörte ich ihn atmen.
»Ich will nicht darüber … sprechen«, sagte er laut und heiser.
»Das ist sehr schade«, sagte Seine Exzellenz. »Für uns ist das sehr wichtig.«
»Aber für mich ist nur eins wichtig«, erwiderte Abalkin. »Dass Sie mich in Ruhe lassen.«
Sein Gesicht hatte die frühere Festigkeit wiedergewonnen, die Lider hatten sich gesenkt, von seinen Wangen wichen allmählich die grauen Flecken.
Seine Exzellenz begann nun in einem völlig anderen Ton: »Ljowa. Natürlich lassen wir Sie in Ruhe. Aber ich flehe Sie an: Sollten Sie plötzlich etwas Ungewohntes in sich verspüren, eine ungewohnte Empfindung, sonderbare Gedanken … oder wenn Sie sich krank fühlen, geben Sie bitte Nachricht. Meinetwegen nicht an mich. An Gorbowski. Komow. Bromberg, wenn es sein muss.«
Da wandte ihm Abalkin den Rücken und ging zur Tür. Seine Exzellenz schrie ihm fast nach, die Hand ausgestreckt: »Aber sofort! Sofort! Solange Sie noch ein Erdenmensch sind! Vielleicht trage ich Ihnen gegenüber Schuld, aber die Erde trifft doch keine Schuld!«
»Ja, ja, ich benachrichtige Sie«, sagte Abalkin über die Schulter hinweg. »Sie persönlich.«
Er ging aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Ein paar Sekunden lang schwieg Seine Exzellenz, beide Hände in die Armlehnen des Sessels gekrallt, und lauschte angespannt. Dann befahl er halblaut: »Ihm nach. Nur nicht aus den Augen lassen. Verbindung über das Armband. Ich bin im Museum.«
4. JUNI’78
Der Abschluss der Operation
Nachdem er das Gebäude der KomKon 2 verlassen hatte, ging Lew Abalkin ohne Eile und langsamen Schrittes die Rotahornstraße entlang. Dann betrat er die Kabine eines öffentlichen Videofons und führte ein Gespräch von etwas mehr als zwei Minuten. Dann ging er, wiederum langsam und die Hände hinter dem Rücken verschränkt, in Richtung Allee, bog ein und setzte sich auf eine Bank neben dem Basrelief Strogows. Er las anscheinend alles, was in den Sockel gemeißelt war, aufmerksam durch und schaute dann eine Weile ziellos umher. Etwa zwanzig Minuten lang saß er da wie jemand, der von einer schweren Arbeit ausruht: die Arme auf der Rückenlehne der Bank ausgebreitet, den Kopf zurückgelegt und die gekreuzten Beine zur Allee hin ausgestreckt. Um ihn sammelten sich Eichhörnchen, eins sprang ihm auf die Schulter und stupste ihm mit der Schnauze gegen das Ohr. Abalkin lachte laut auf, nahm das Eichhörnchen in die Hand, zog die Beine an und setzte es sich aufs Knie. Dort blieb es sitzen, und mir schien, dass er sich mit dem Eichhörnchen unterhielt. Die Sonne war gerade erst aufgegangen, die Straßen waren leer und auf der Allee befand sich außer Abalkin
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