Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
Vom Netzwerk:
verlor ihre Arbeit und musste ein paar Monate betteln.
    Von Onkelchen Kaan, einem seinerzeit bedeutenden Wissenschaftler, hörte Maxim, wie man im ersten Kriegsjahr die Akademie der Wissenschaften aufgelöst und ein Bataillon der Akademie Seiner Kaiserlichen Majestät zusammengestellt hatte. Wie in den Hungerzeiten der Begründer der Evolutionstheorie den Verstand verloren und sich erhängt hatte; wie sie aus dem von Tapeten abgekratzten Leim Suppe kochten; wie eine ausgehungerte Menschenmenge im Zoologischen Museum alles kurz und klein geschlagen und die in Spiritus aufbewahrten Präparate verschlungen hatte …
    Und er hörte Gais unbedarfte Erzählungen über den Bau der Raketenabwehrtürme an der südlichen Grenze: darüber, wie des Nachts die Menschenfresser zu den Bauplätzen schleichen und Zöglingen ebenso wie wachhabende Gardisten entführen; wie im Dunkeln, lautlos wie Gespenster, Vampire
angreifen, erbarmungslos und brutal, teils Mensch, teils Bär, teils Hund. Er hörte, wie sehr Gai das Raketenabwehrsystem lobte, das unter unglaublichen Entbehrungen in den letzten Kriegsjahren errichtet worden war. Im Grunde genommen, sagte Gai, hätte damals das RAS die Kampfhandlungen beendet, indem es nämlich auch den Luftraum über dem Land geschützt hatte. Auch heute noch sei das RAS die einzige Garantie gegen die Aggressionen aus dem Norden. Und dann kämen diese Mistkerle, diese Verbrecher und organisierten Angriffe auf die Abwehrtürme - korrupte Subjekte, vom schmutzigen Geld Hontis und Pandeas bestochen, Frauenund Kindermörder, Entartete, ja, Entartete, Dreckskerle, schlimmer noch als Rattenfänger. Gais erhitztes Gesicht war jetzt von Hass verzerrt. »Das ist die Hauptsache«, rief er und hieb mit der Faust auf den Tisch, »darum bin ich zur Garde gegangen. Nicht in eine Fabrik, nicht aufs Feld, nicht ins Büro - zur Kämpfenden Garde, von der alles abhängt!«
    Maxim hörte gebannt zu - wie bei einem schrecklichen, unwirklichen Märchen, das umso schrecklicher war, weil es der Realität entsprang, vieles immer noch existierte und sich dies Schreckliche, Unwirkliche jederzeit wiederholen konnte. Lächerlich, nahezu beschämend schienen ihm seine eigenen Misshelligkeiten, winzig wurden auf einmal seine Probleme - der Kontakt, der Nullsender, das Händeringen, was hatte das schon zu bedeuten …
    Der Lastwagen bog scharf in eine schmale Straße mit hohen Wohnblöcken ein, und Pandi sagte: »Da wären wir.« Die Passanten auf dem Gehweg wichen hastig zurück und schützten ihr Gesicht vor dem Scheinwerferlicht. Der LKW bremste. Über dem Fahrerhaus schob sich nun eine lange Teleskopantenne heraus.
    »Ab-sitz-en!«, brüllten die Führer der zweiten und dritten Gruppe gleichzeitig, und die Gardisten sprangen über die Bordwände.

    »Erste Gruppe sitzen bleiben!«, kommandierte Gai.
    Pandi und Maxim, die schon aufgesprungen waren, setzten sich wieder.
    »In Dreiertrupps antreten!«, schrien die Kommandanten auf dem Gehweg. »Zweite Gruppe, vorwärts!« - »Dritte Gruppe, mir nach!«
    Beschlagene Stiefel polterten über den Asphalt. Eine Frau kreischte begeistert: »Seht hierher! Die Kämpfende Garde!«
    »Es lebe die Kämpfende Garde!«
    »Hurra!«, brüllten die bleichen Menschen und pressten sich an die Gemäuer, um nicht zu stören. Es schien, als hätten sie auf die Gardisten gewartet und freuten sich nun über sie wie über ihre besten Freunde.
    Rechts von Maxim saß Anwärter Soisa, lang wie eine Bohnenstange, mit weißblondem Flaum auf den Wangen - fast noch ein Kind. Er drückte Maxim seinen spitzen Ellenbogen in die Seite und zwinkerte ihm fröhlich zu. Maxim lächelte zurück. Die Gruppen waren schon in den Hauseingängen verschwunden, nun standen nur noch die Kommandanten davor: bestimmt, zuverlässig, mit unbewegten Gesichtern unter den schief aufs Ohr gezogenen Baretten. Die Tür der Fahrerkabine schlug zu, und Rittmeister Tschatschus Stimme schnarrte: »Erste Gruppe, absitzen! Antreten!«
    Maxim schwang sich über die Bordwand. Als die Gruppe stand, wollte Gai Meldung erstatten, aber der Rittmeister hielt ihn mit einer Handbewegung zurück, trat dicht vor die Reihe und befahl: »Helme auf!«
    Die Soldaten schienen nur auf dieses Kommando gewartet zu haben; die Anwärter dagegen waren noch nicht fertig. Der Rittmeister wartete, klopfte ungeduldig mit dem Absatz, bis auch Soisa seinen Kinnriemen gerichtet hatte. Dann kommandierte er: »Rechtsum! Im Laufschritt vorwärts!« Er selbst lief, trotz

Weitere Kostenlose Bücher