Gesammelte Werke 1
in den nächsten achtundvierzig Stunden treffen.
8
Gai zog seinen Pyjama an, hängte die Uniform in den Schrank und drehte sich zu Maxim um. Einen Stiefel in der Hand, den anderen noch am Fuß, saß Anwärter Sim auf der Liege, die Rada ihm in einer freien Ecke aufgestellt hatte; seine Augen starrten zur Wand, der Mund stand halb offen. Gai schlich sich von der Seite an und wollte dem Freund gegen die Nase schnipsen. Aber wie immer traf er nicht, denn im letzten Moment wandte Mak den Kopf.
»Woran denkst du?«, versuchte Gai ihn zu necken. »Leidest wohl, weil Rada nicht da ist? Hast eben Pech, Bruderherz, heute hat sie Tagschicht.«
Mak lächelte schwach und befasste sich mit seinem zweiten Stiefel. »Wieso - nicht da?«, murmelte er zerstreut. »Erzähl keine Märchen …« Er hielt wieder inne. »Gai«, fuhr er fort, »du hast immer gesagt, sie arbeiten für Geld …«
»Wer? Die Entarteten?«
»Ja. Du hast es oft gesagt - mir und auch den Jungs. Hast sie ›bezahlte Agenten der Hontianer‹ genannt. Auch der Rittmeister behauptet das, jeden Tag, immer wieder.«
»Was denn sonst?«, entgegnete Gai. Er vermutete, dass Mak abermals über die Monotonie ihrer Argumente klagte. »Du bist komisch, Mak. Wie können wir es mit anderen Worten erzählen, wenn alles beim Alten bleibt? Die Entarteten sind nach wie vor entartet. Früher erhielten sie Geld vom Feind, und jetzt ist es ebenso. Im vergangenen Jahr beispielsweise, hat man eine Gruppe im Randgebiet geschnappt - der ganze Keller lag voller Geld. Wie sollten ehrliche Menschen zu solchem Reichtum kommen? Sind weder Industrielle noch Bankiers … Und jetzt hat nicht einmal ein Bankier so viel Geld, wenn er ein echter Patriot ist.«
Mak stellte die Stiefel ordentlich an die Wand, stand auf und öffnete seinen Overall. »Gai«, begann er wieder, »hast du mal erlebt, dass man etwas über jemand erzählt und du diesen Menschen anschaust und fühlst: Es kann nicht stimmen. Es ist ein Fehler, ein Missverständnis?«
»Das kommt vor.« Gais Gesicht verfinsterte sich. »Wenn du allerdings die Entarteten …«
»Ja. Die meine ich. Ich habe sie mir heute angesehen: normale Menschen! Verschieden natürlich - manche besser, andere schlechter, einige mutig, andere feige -, keineswegs aber Tiere, wie ich dachte und wie ihr alle denkt. Warte, unterbrich mich nicht. Ich weiß nicht, ob sie euch wirklich schaden, das
heißt, anscheinend tun sie es. Aber ich glaube nicht, dass sie gekauft sind.«
Gais Miene wurde noch düsterer. »Was heißt, du glaubst es nicht? Schön, mich nimmst du vielleicht nicht ernst, ich bin nur ein kleines Licht. Aber den Herrn Rittmeister? Und den Brigadegeneral? Das Radio? Wie kann man den Unbekannten Vätern nicht glauben? Sie lügen nie.«
Maxim streifte den Overall ab, trat ans Fenster und blickte hinaus, die Stirn gegen die Scheibe gedrückt und beide Hände am Rahmen. »Wieso denn unbedingt lügen?«, sagte er halblaut. »Und wenn sie irren?«
»Irren?«, wiederholte Gai befremdet und starrte auf Maks nackten Rücken. »Wer irrt? Die Väter? Du hast Ideen … Die Väter irren sich nie!«
»Möglich«, sagte Mak und drehte sich um. »Aber wir reden jetzt nicht von ihnen. Es geht um die Entarteten. Du, zum Beispiel, würdest doch für deine Sache sterben, wenn es sein muss?«
»Natürlich«, antwortete Gai. »Du doch auch.«
»Ja. Würden wir. Für die Sache. Aber nicht für die Gardistenverpflegung oder für Geld. Eine Milliarde eurer Scheinchen könntet ihr mir hinblättern - ich würde dafür nicht in den Tod gehen! Du etwa?«
»Natürlich nicht.« Gai seufzte. Dieser Mak ist seltsam, dachte er. Immer denkt er sich was Neues aus.
»Und?«
»Was - und?«
»Versteh doch!« Mak wurde ungeduldig. »Du bist nicht bereit, für Geld zu sterben. Ich bin nicht bereit, für Geld zu sterben. Aber die Entarteten sollen es sein? So ein Blödsinn!«
»Das sind doch Entartete!«, sagte Gai eindringlich. »Deshalb sind sie ja entartet! Für sie ist Geld das Höchste. Nichts ist ihnen heilig. Sie erdrosseln sogar Kinder - das hat es schon
gegeben. Was kann einer, der das Raketenabwehrsystem vernichten will, für ein Mensch sein! Kaltblütige Mörder sind das!«
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht«, erwiderte Mak. »Sie sind heute verhört worden. Hätten sie ihre Komplizen verraten, wären sie mit dem Leben davongekommen, hätten nur Zwangsarbeit gekriegt. Aber sie haben keine Namen genannt. Folglich sind sie ihnen mehr wert als Geld? Mehr als
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