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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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großen still gesträubten Augen, – sie saßen ganz allein in einem der halbdunklen Säle, – und fragte: «Also ist etwas auch in dir, das du nicht klar fühlen und verstehen kannst, und du nennst es bloß Gott, außer dir und als Wirklichkeit gedacht, von dir, als ob es dich dann bei der Hand nähme? Und es ist vielleicht das, was du nie Feigheit oder Weichheit nennen willst; als eine Gestalt gedacht, die dich unter die Falten ihres Kleides nehmen könnte? Und du bedienst dich bloß für irgendwelche Richtungen gleichsam ohne Gerichtetes, für irgendwelche Bewegungen gleichsam ohne Bewegtes, für Gesichte, die in dir nie bis zu wirklichem Leben emporsteigen, solcher Worte wie Gott, weil sie in ihren dunklen Kleidern aus einer andern Welt dahingehen mit der Sicherheit von Fremden aus einem großen, wohlgeordneten Staate, wie Lebendige? Sag, weil wie Lebendige und weil du es um jeden Preis als wirklich fühlen möchtest?»
    «Dinge sind es,» meinte er, «hinter dem Horizont des Bewußtseins, Dinge, die sichtbar hinter dem Horizont unseres Bewußtseins vorbeigleiten, oder eigentlich nur ein fremdgespannter, unerforschlicher, vielleicht möglicher neuer Horizont des Bewußtseins, plötzlich angedeutet, in dem noch keine Dinge stehen.» Ideale seien es, meinte er schon damals, nicht Trübungen oder Zeichen irgendeiner seelischen Ungesundheit, sondern Ahnungen eines Ganzen, irgendwoher verfrüht und gelänge es, sie richtig zusammenzufügen, stünde splitternd wie von einem Schlage etwas da, von den feinsten Verästlungen der Gedanken bis außen in die Wipfel der Bäume empor, und wäre in der kleinsten der Gebärden wie der Wind in den Segeln. Und er sprang auf und machte eine große Bewegung fast körperlichen Verlangens.
    Und sie sagte damals darauf eine lange Weile nichts und dann antwortete sie: «Auch in mir ist etwas, ... siehst du: Demeter ...» und stockte und es geschah danach zum erstenmal, daß sie von Demeter sprachen.
    Johannes begriff anfangs nicht, wozu es überhaupt geschah. Sie sagte, daß sie irgendeinmal an einem Fenster über einem Hühnerhof stand und dem Hahn zusah, sah zu und dachte an nichts und erst allmählich verstand Johannes, daß sie den Hühnerhof in ihrem Haus meinte. Dann kam Demeter und stellte sich neben sie. Und sie begann zu merken, daß sie doch die ganze Zeit über an etwas gedacht hatte, bloß ganz im Dunkeln, und jetzt fing sie an es zu erkennen. Und Demeters Nähe, erzählte sie, – er verstünde wohl, ganz im Dunkeln begann sie all das zu erkennen, – Demeters Nähe half ihr dabei und beengte sie zugleich. Und nach einer Weile wußte sie, daß es der Hahn gewesen war, woran sie gedacht hatte. Aber vielleicht hatte sie gar nichts gedacht, sondern immerzu nur gesehen, und was sie anblickte, war wie ein fremder harter Körper in ihr liegen geblieben, weil kein Gedanke es auflöste. Und es schien sie unbestimmbar an etwas anderes zu erinnern, das sie auch nicht finden konnte. Und je länger Demeter neben ihr stand, desto deutlicher und eigentümlich ängstlich begann sie den leeren gegenwärtigen Umriß dieses Bildes in sich zu fühlen. Und Veronika sah Johannes fragend an, ob er es verstünde. «Es war immer wieder dieses unsagbar gleichgültige Herabgleiten des Tiers,» sagte sie, was sie vor sich sah, heute noch sehe sie es so, wie etwas das ganz einfach vor sich ginge und doch gar nicht zu begreifen sei, dieses unsagbar gleichgültige Herabgleiten und plötzlich von aller Erregung ganz befreit sein und eine Weile wie blöd und empfindungslos dastehn und wie mit den Gedanken irgendwo fern, in einem schalen, verwesten Licht. Dann meinte sie: «Manchmal, an toten Nachmittagen, wenn ich mit der Tante spazierenging, lag es so über dem Leben; ich glaubte es empfinden zu können und mir war, als strahlte die Vorstellung dieses üblen Lichts von meinem Magen aus.»
    Es trat eine Pause ein, Veronika schluckte nach Worten.
    Aber sie kam wieder auf das Gleiche zurück. «Ich sah danach schon von weitem immer wieder eine solche Welle daherkommen,» ergänzte sie, «und über ihn und ihn hinaufwerfen und wieder loslassen.»
    Und wieder entstand ein Schweigen.
    Aber plötzlich schlichen ihre Worte hindurch, als müßten sie sich in dem großen, finstern Raum geheimnisvoll verbergen, ganz nahe niederkauernd bei Johannes’ Gesicht. «... In solch einem Augenblick packte Demeter meinen Kopf und drückte ihn gegen die Brust hinab, sagte nichts und drückte ihn fest nach abwärts,»

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