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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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fern ein Erschrecken: so muß Eifersucht sein.
    Und erst nach einer langen Weile hörte er wieder, daß Veronika sprach. Er verstand, wie sie sagte: «... es war mir so sonderbar, ich begriff die Person so gut.» Und er fragte mechanisch zurück: «Die Person?» «Ja, die Bäurin oben.» «So, ja, die Bäurin.» «Von der sich die Burschen in den Dörfern erzählen,» wiederholte Veronika, «aber kannst auch du es dir denken? Sie hatte nie mehr einen Geliebten, nur ihre zwei großen Hunde. Und es mag scheußlich sein, was sie sagen, doch denk es nur: diese zwei großen Tiere manchmal fletschend aufgerichtet, heischend, herrisch, wie wenn du ihnen gleich wärst, und du bist es irgendwie, voll Angst vor ihrem Fell, bis auf einen ganz kleinen gebliebenen Punkt in dir, aber du weißt, im nächsten Augenblick eine Gebärde und sie sind wieder nicht, folgsam, geduckt, Tiere, – das sind nicht nur Tiere, das bist du und eine Einsamkeit, das bist du und noch einmal du, das bist du und ein leeres Zimmer von Haaren, das wünscht kein Tier, sondern irgend etwas, das ich nicht aussprechen kann, und ich weiß nicht, woher ich es dennoch so gut verstehe.»
    Doch Johannes bat sie: «Es ist Sünde, was du sprichst, es ist Unflat.»
    Aber Veronika ließ nicht ab: «Du wolltest ja Priester werden, warum?! Ich dachte mir, weil ... weil du dann für mich kein Mann bist. Hör ... hör doch: Demeter sagte ganz unvermittelt zu mir: ‹Der dort wird dich nicht heiraten und der dort nicht; du wirst hier bleiben und alt werden wie die Tante ...› Ja verstehst du nicht, da bekam ich Angst? Ist dir denn nicht auch so? Ich hätte nie daran gedacht, daß die Tante ein Mensch sei. Sie erschien mir nie als ein Mann oder eine Frau. Jetzt erschrak ich mit einemmal darüber, daß das etwas war, was auch ich werden konnte, und fühlte, daß etwas geschehen müsse. Und mir kam plötzlich vor, daß sie durch lange Zeit nie älter geworden sei und dann mit einem Ruck sehr alt und dann wieder geblieben. Und Demeter sagte: ‹Wir dürfen machen, was wir wollen. Wir haben wenig Geld, aber wir sind die älteste Familie in der Provinz. Wir leben anders, Johannes ging nicht ins Ministerium und ich nicht zur Armee, nicht einmal Geistlicher wurde er. Sie sehen alle ein bißchen auf uns herab, weil wir nicht reich sind, aber wir brauchen das Geld nicht und wir brauchen sie nicht.› Und vielleicht, weil ich noch über die Tante erschrocken war, traf mich das plötzlich so geheimnisvoll – dunkel und wie eine Türe leise seufzend – und ich bekam irgendwie bei Demeters Worten ein Gefühl von unserem Haus, aber weißt du denn nicht, wie auch du es immer empfunden hast, unseren Garten und das Haus, ... o der Garten, ... ich dachte manchmal mitten im Sommer, so muß es sein, wenn man im Schnee liegt, so trostlos wohlig, ohne Boden schwebend zwischen Wärme und Kälte, man möchte aufspringen und erschlafft in ein süßes Verfließen. Wenn du an ihn denkst, fühlst du nicht diese leere, ununterbrochene Schönheit, wohl Licht, Licht in dumpfem Übermaß, wortlos machendes Licht, sinnlos wohltuend auf der Haut, und ein Ächzen und Reiben in den Rinden und ein unaufhörliches leises Sausen in den Blättern ... Ist dir nicht, als ob die Schönheit des Lebens, das da in diesem Garten bei uns endet, etwas Flaches, waagrecht Endloses wäre, das einen einschließt und abschneidet wie ein Meer, in dem man versinken würde, wenn man es betreten wollte ...?»
    Und jetzt war Veronika aufgesprungen und stand vor Johannes; die Finger ihrer in irgendeinem verlornen Licht schimmernden Hände schienen die Worte ängstlich aus dem Dunkel zu holen.
    «Und oft fühle ich dann unser Haus,» tasteten diese Worte, «seine Finsternis mit den knarrenden Treppen und den klagenden Fenstern, den Winkeln und ragenden Schränken und manchmal irgendwo bei einem hohen, kleinen Fenster Licht, wie aus einem geneigten Eimer langsam sickernd ausgegossen, und eine Angst, als stünde einer mit einer Laterne dort. Und Demeter sagte: ‹Es ist nicht meine Art, Worte zu machen, das trifft Johannes besser, aber ich versichere dir, es ist manchmal etwas sinnlos Aufgerichtetes in mir, ein Schwanken wie von einem Baum, ein fürchterlicher, ganz unmenschlicher Laut, wie eine Kinderrassel, eine Osterquarre, ... ich brauche mich bloß zu beugen, so komme ich mir wie ein Tier vor, ... ich möchte manchmal mein Gesicht bemalen ...› Da kam mir vor, als wäre unser Haus eine Welt, in der wir allein sind, eine

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