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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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an.
    «Sie wissen am Ende noch nichts von dieser Ölgeschichte?» fragte Tuzzi.
    «Doch» erwiderte Ulrich. «Ich habe mich bloß darüber gewundert, daß Sie es wissen.» Und um keine Unhöflichkeit zu verraten, fügte er hinzu: «Sie haben es vortrefflich zu verheimlichen verstanden!»
    «Ich weiß es schon lange» erklärte Tuzzi geschmeichelt. «Daß dieser Feuermaul heute bei uns ist, hat natürlich der Arnheim durch den Leinsdorf veranlaßt. Haben Sie übrigens seine Bücher gelesen?»
    Ulrich bejahte es.
    «Ein Erzpazifist!» sagte Tuzzi. «Und die Drangsal, wie sie meine Frau nennt, bemuttert ihn mit solchem Ehrgeiz, daß sie für den Pazifismus über Leichen geht, wenn es sein muß, obwohl sie sich von Haus aus gar nicht dafür interessiert, sondern nur für Künstler.» Tuzzi überlegte eine kleine Weile, dann eröffnete er Ulrich: «Der Pazifismus ist natürlich die Hauptsache, die Öllager sind nur ein Ablenkungsmanöver; darum schiebt man den Feuermaul mit seinem Pazifismus vor, denn dann denkt jeder: ‹Aha, das ist das Ablenkungsmanöver!› und glaubt, daß es hintenherum um die Ölfelder geht! Ausgezeichnet gemacht, aber viel zu klug, als daß man es nicht merkte. Denn wenn der Arnheim die galizischen Ölfelder und einen Liefervertrag mit dem Militärärar hat, müssen wir die Grenze natürlich schützen. Wir müssen auch an der Adria Ölstützpunkte für die Marine errichten und Italien beunruhigen. Wenn wir aber in dieser Weise unsere Nachbarn reizen, steigt natürlich das Friedensbedürfnis und die Friedenspropaganda, und wenn dann der Zar mit irgendeiner Idee zum Ewigen Frieden hervortritt, so wird er den Boden psychologisch vorbereitet finden. Das ist es, was der Arnheim will!»
    «Und dagegen haben Sie etwas?»
    «Dagegen haben wir natürlich nichts» sagte Tuzzi. «Aber wie Sie sich vielleicht erinnern, habe ich Ihnen schon einmal auseinandergesetzt, daß es nichts so Gefährliches gibt wie den Frieden um jeden Preis. Wir müssen uns gegen den Dilettantismus schützen!»
    «Aber Arnheim ist doch Rüstungsindustrieller» entgegnete Ulrich lächelnd.
    «Natürlich ist er das!» flüsterte Tuzzi etwas gereizt. «Denken Sie doch um Himmelswillen nicht so einfach von diesen Dingen! Seinen Vertrag hat er dann ja. Und höchstens rüsten auch noch die Nachbarn auf. Sie werden sehen: im entscheidenden Augenblick entpuppt er sich als Pazifist! Pazifismus ist ein dauerndes und sicheres Rüstungsgeschäft, Krieg ein Risiko!»
    «Ich glaube ja, die Militärpartei meint es gar nicht so schlimm» lenkte Ulrich ein. «Sie möchte bloß durch das Geschäft mit Arnheim ihre Umbewaffnung der Artillerie erleichtern, weiter nichts. Und schließlich rüstet man heute in der ganzen Welt doch nur für den Frieden; also denkt sie wahrscheinlich, daß es bloß korrekt ist, wenn man das einmal auch mit Hilfe der Friedensfreunde tut!»
    «Wie stellen sich die Herren denn die Durchführung vor?» forschte Tuzzi, ohne auf den Scherz einzugehn.
    «Ich glaube, so weit sind sie noch gar nicht; vorderhand nehmen sie erst gefühlsmäßig Stellung.»
    «Natürlich!» bekräftigte Tuzzi ärgerlich, als hätte er nichts anderes erwartet. «Die Militärs sollten an nichts als den Krieg denken und sich mit allem anderen an das zuständige Ressort wenden. Aber ehe sie das tun, bringen die Herren lieber mit ihrem Dilettantismus die ganze Welt in Gefahr. Ich wiederhole Ihnen: Nichts ist in der Diplomatie so gefährlich wie das unsachliche Reden vom Frieden! Jedesmal, wenn das Bedürfnis danach eine gewisse Höhe erreicht hat und nicht mehr zu halten war, ist noch ein Krieg daraus entstanden! Das kann ich Ihnen aktenmäßig beweisen!»
    In diesem Augenblick war Hofrat Professor Schwung seines Fachkollegen ledig geworden und benutzte Ulrich aufs herzlichste, um dem Hausherrn vorgestellt zu werden. Ulrich willfahrte dem mit der Bemerkung, man könne sagen, daß der berühmte Gelehrte auf dem Gebiet des Strafrechts den Pazifismus ähnlich verurteile, wie der maßgebliche Sektionschef auf dem Gebiet der Politik.
    «Aber um Gotteswillen,» verwahrte sich Tuzzi lachend «da haben Sie mich ganz falsch verstanden!» Und auch Schwung, nachdem er einen Augenblick gewartet hatte, schloß sich, sicher gemacht, dem Einspruch mit der Bemerkung an, daß er seine Auffassung der Verminderten Zurechnungsfähigkeit keinesfalls als blutdürstig und inhuman bezeichnet sehen möchte. «Im Gegenteil!» rief er als alter Katheder-Schauspieler mit einer sich an

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