Gesammelte Werke
eingerückt sein; ich kann das genau sagen, weil es sehr ungewöhnlich war, denn um diese Zeit werden sonst nur die Medizinstudenten eingezogen. Ihre Frau wird ihn also kaum finden. Dagegen könnte man ihm durch seine Vorgesetzten die Hölle ordentlich heiß machen. Verstehen Sie, wenn man ihn dort etwas zwischen die Finger nimmt, wird er schon mit der Sprache herausrücken!»
«Ausgezeichnet, ich danke Ihnen! Ich hoffe, meine Frau sieht das auch ein. Denn ohne Klementine will ich, wie gesagt, in dieser Richtung nichts unternehmen; sonst kann es gleich wieder heißen, daß man ein Mörder ist!»
Ulrich mußte lachen. «Die Freiheit scheint Sie ängstlich gemacht zu haben, lieber Fischel.»
Fischel ärgerte sich immer leicht über Ulrich; jetzt wo er ein großer Mann war, mehr denn je. «Sie überschätzen die Freiheit,» sagte er abweisend» und es scheint, daß Sie meinen Standpunkt nie ganz verstanden haben. Die Ehe ist oft ein Kampf, wer der Stärkere ist; außerordentlich schwierig, solange es sich um Gedanken, Gefühle und Einbildungen handelt! Aber gar keine Schwierigkeit, sobald man im Leben Erfolg hat. Ich habe den Eindruck, daß auch Klementine das einzusehen beginnt. Man kann wochenlang darüber streiten, ob eine Auffassung richtig ist. Aber sobald man Erfolg hat, ist es die Auffassung eines Mannes, der sich geirrt haben kann, aber diesen nebensächlichen Irrtum eben braucht, um Erfolg zu haben. Es ist schlimmstenfalls wie die Marotte eines großen Künstlers; nun, was tut man mit den Marotten großer Künstler? Man liebt sie; man weiß, sie sind ein kleines Geheimnis». – Da Ulrich ungebunden lachte, wollte Fischel nicht zu sprechen aufhören. – «Ich sage das gerade Ihnen! Geben Sie nur gut acht! Ich habe gesagt, wenn man nichts hat als Gefühle und Gedanken, nimmt der Streit kein Ende, Gedanken und Gefühle machen kleinlich und nervös. So ist es leider mir und Klementine ergangen. Heute habe ich keine Zeit. Ich weiß nicht einmal sicher, ob Klementine wieder zu mir zurück möchte; ich glaube bloß, daß sie es will; sie hat bereut, und früher oder später wird sich das ganz von selbst zeigen, dann aber ganz bestimmt viel einfacher und schöner, als wenn ich mir jetzt schon ganz genau ausdenken würde, wie es geschehen muß. Mit einem ungesund bis ins kleinste fixierten Plan würde man auch nie Geschäfte machen.»
Fischel war fast außer Atem, aber er fühlte sich frei. Ulrich hatte ihm ernst zugehört und widersprach nicht. «Ich bin sehr erfreut, daß sich alles so zum Guten wendet» sagte er höflich. «Ihre Frau Gemahlin ist eine ausgezeichnete Frau, und wenn es für Sie vorteilhaft sein wird, ein großes Haus zu führen, wird sie dieser Aufgabe vorzüglich vorstehen.»
«Eben. Auch das. Wir könnten jetzt bald die silberne Hochzeit feiern und Spaß beiseite, wenn das Geld neu ist, soll wenigstens sozusagen der Charakter alt sein. Eine silberne Hochzeit ist fast so viel wert wie eine adelige Großmutter, die sie übrigens auch hat.»
Ulrich erhob sich zum Gehn, aber Fischel war nun aufgeräumt. «Sie brauchen aber nicht zu glauben, daß mir am Ende Leona die Flügel gebrochen hat! Ich habe sie Dr. Arnheim ganz ohne Neid überlassen. Kennen Sie die Tänzerin?» er nannte einen unbekannten Namen und zog ein kleines Bild aus der Brieftasche. «Nun woher sollten Sie sie auch kennen, sie ist noch selten aufgetreten, selbständige Tanzabende, distinguiert, Beethoven und Debussy, wissen Sie, das ist jetzt so der kommende Geist. Aber was ich Ihnen sagen wollte, Sie sind doch Sportsmann, bringen Sie das zustande: –?» – Er trat an einen Tisch und begleitete seine Worte mit einem Echo aus Arm und Bein – «Da legt sie sich zum Beispiel auf einen Tisch. Den Oberkörper platt auf der Platte, das Gesicht mit dem Ohr an die aufgestützten Arme gelehnt, und lächelt lieblich. Die Beine tut sie dabei ganz auseinander, so, der schmalen Tischkante entlang, daß es aussieht wie ein großes T. Oder sie steht plötzlich auf den Unterarmen und Handflächen – So – ich kann das natürlich nicht. Und einen Fuß hat sie über den Kopf weg beinahe auf der Erde, den anderen am Schrank oben. Ich sage Ihnen, Sie bringen es nicht zu einem Zehntel zusammen, trotz Ihrem Turnen. Das ist die neue Frau. Sie ist schöner als wir, sie ist geschickter als wir, und ich glaube, wann ich mit ihr boxen wollte, würde ich mir bald den Bauch halten. Das einzige, worin ein Mann stärker ist als die Frau heute, ist
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