Gesammelte Werke
eine schnuppernde Hündin sich an ihnen zu erregen. Aber es war nicht Sinnlichkeit, sondern nur mehr etwas, das wie ein Wind heulte oder wie ein Kind schrie. Sie kniete sich plötzlich zur Erde, die steifen Blumen des Teppichs rankten sich größer und verständnislos vor ihren Augen, sie sah ihre schweren, frauenhaften Schenkel häßlich darüber gebeugt wie etwas ganz Sinnloses und doch mit einem unverständlichen Ernst Gespanntes, ihre Hände starrten einander auf dem Boden wie zwei fünffach gegliederte Tiere an, die Lampe draußen fiel ihr mit einemmal ein, mit ihren grauenhaft stumm an der Decke wandernden Ringen, die Wände, die kahlen Wände, die Leere und wieder der Mensch, der dort stand, manchmal bewegt, knarrend wie ein Baum in der Rinde, sein drängendes Blut wie buschiges Laubwerk im Kopf, während sie hier auf den Gliedern lag, bloß hinter einer Tür, und irgendwie trotzdem die volle Süße ihres reifen Leibs empfand, mit jenem unverlornen Rest von Seele, der noch bei zerstörenden Verletzungen reglos neben der auseinanderbrechenden Entstelltheit steht, in ein schweres, ununterbrochenes Wahrnehmen davon weggerichtet, wie neben einem gefallenen Tier.
Dann hörte sie vorsichtig den Menschen fortgehn. Und begriff plötzlich, noch herausgerissen aus sich, daß das die Untreue war; stärker bloß als die Lüge.
Sie richtete sich langsam auf den Knien empor. Sie starrte in das Unbegreifliche, daß es jetzt schon wirklich gewesen sein könnte, und zitterte, wie wenn man bloß vom Zufall, ohne eigene Kraft aus einer Gefahr befreit wurde. Und versuchte es auszudenken. Sie sah ihren Körper unter dem des Fremden liegen, mit einer Deutlichkeit der Vorstellung, die wie kleines Gerinnsel in alle Einzelheiten floß, sie fühlte ihr Blaßwerden und die errötenden Worte der Hingabe und die Augen des Menschen, niederhaltend über ihr stehend, gespreitet über ihr stehend, gesträubte Augen wie Raubvogelflügel. Und dachte fortwährend: das ist die Untreue. Und es fiel ihr ein, wenn sie von dem zu ihm zurückkäme, müßte er sagen: ich kann dich nicht von innen fühlen, und sie hatte als Antwort nur ein wehrloses Lächeln, ein Lächeln: glaub mir, es war nichts gegen uns, – und empfand trotzdem in diesem Augenblick ihr Knie sinnlos gegen den Boden gepreßt, wie ein Ding, und fühlte sich darin, unzugänglich, mit dieser wehen, ungeschützten Gebrechlichkeit der innersten Menschenmöglichkeiten, die kein Wort, keine Wiederkehr festhält und in den Zusammenhang des Lebens ordnet. Es war kein Gedanke mehr in ihr, sie wußte nicht, ob sie unrecht tat, es war alles um sie wie ein seltsamer, einsamer Schmerz. Ein Schmerz, der wie ein Raum war, ein aufgelöster, schwebender und doch wie um ein mildes Dunkel zusammenhängender, leise steigender Raum. Es blieb unter ihm allmählich ein starkes, deutliches, gleichgültiges Licht zurück, in dem sie alles sah, was sie tat, diesen stärktsten, aus ihr herausgerissenen Ausdruck der Überwältigung, diese größte vermeintliche Heraufgeholtheit und Hingegebenheit ihrer Seele, ... zusammengesunken, klein, kalt, mit verlorner Beziehung, weit, weit unter ihr ...
Und nach langer Zeit war es, als ob wieder ein vorsichtig tastender Finger die Klinke suchte, und sie wußte den Fremden lauschend vor ihrer Tür. Es schwirrte schwindelnd in ihr auf, zum Eingang zu kriechen und den Riegel zu lösen.
Aber sie blieb in der Mitte des Zimmers auf der Erde liegen; es hielt sie noch einmal etwas auf, ein häßliches Gefühl von sich, ein Gefühl wie einst, wie ein Hieb durchschnitt ihre Sehnen der Gedanke, es möchte alles nur ein Rückfall in ihre Vergangenheit sein. Und plötzlich hob sie die Hände: Hilf mir, du, hilf mir! und fühlte es als Wahrheit und es war ihr doch nur ein leis zurückstreichelnder Gedanke: wir kamen aufeinander zu, geheimnisvoll durch Raum und Jahre, nun dringe ich in dich ein auf schmerzhaften Wegen.
Und dann kam die Ruhe, die Weite. Das Hereinströmen der schmerzhaft gestauten Kräfte nach dem Durchbrechen der Wände. Wie ein glänzend stiller Wasserspiegel lag ihr Leben, Vergangenheit und Zukunft, in der Höhe des Augenblicks. Es gibt Dinge, die man nie tun kann, man weiß nicht warum, es sind vielleicht die wichtigsten; man weiß, es sind die wichtigsten. Man weiß, daß eine fürchterliche Beklemmung auf dem Leben liegt, eine steife Enge wie auf Fingern im Frost. Und manchmal löst sich das, manchmal wie Eis von Wiesen, man ist nachdenklich, eine dunkle
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