Gesammelte Werke
identisch sei; die objektiv gültige Statuierung des ersteren gelingt uns nur durch den konsequenten Rekurs auf den letzteren, die Faktoren des Bewußtseinszusammenhanges, die die Grundlagen aller Erkenntnis sind, sind auch die Grundlagen der Zusammenhänge, die uns die unbewußten heißen. Der tiefste Sinn jener Identität ist: daß die transzendentalen Faktoren die
letzten
Tatbestände sind, auf die wir überhaupt stoßen und deren Gültigkeit wir, um irgend etwas Gültiges über den Bewußtseinszusammenhang auszumachen und damit schließlich auch jene Faktoren selbst herauszustellen, bereits voraussetzen müssen. Nur logizistische Scheinoperationen könnten uns daran beirren; es geht uns ja nicht darum, durch ein Schlußverfahren die transzendentalen Faktoren zu deduzieren (wie wir ja auch in strengem Sinne den Kantischen Begriff einer
Deduktion
der Kategorien nicht akzeptieren könnten, sondern die eigentliche Leistung jener vorgeblichen Deduktion in der
Analyse
des Bewußtseinszusammenhanges erblicken, die sie inaugurierte), sondern ihre reale Gültigkeit
aufzuweisen,
womit gesagt ist, daß es keinen von den Transzendentalbedingungen unabhängigen »Ursprung« gibt, wie etwa für die Marburger Schule, sondern vielmehr unsere Methode darin besteht, vom
Ganzen
des Bewußtseins, dem Zusammenhang des Gegebenen, zu seinen
Teilen
zu gelangen und dabei die Gesetze auszumachen, die den Zusammenhang der Teile zum Ganzen ergeben. Darin liegt die eigentliche transzendentale Begründung der psychoanalytischen Methode und die Rechtfertigung ihres Anspruches, daß die Form ihrer Bewältigung des Unbewußten identisch sei mit der Form des Unbewußten an sich. Denn das Unbewußte an sich ist nichts anderes als die Gesetzmäßigkeit psychischer Zusammenhänge unabhängig von unserer Wahrnehmung, und diese Gesetzmäßigkeit ist die Begründung unserer Erkenntnis des Psychischen zugleich. Wir greifen hier mit Bedacht unserer Interpretation der Psychoanalyse vor. Denn eine erkenntnistheoretisch verbindliche Einsicht in ihre Methode ist von einer Klarlegung der Beziehung der Methode zu ihrem »Gegenstand« – dem Unbewußten – nicht zu trennen. Zugleich meinen wir hier die transzendental fundierende Bestimmung von Namen und Begriff der Psycho
analyse
gegeben zu haben, die uns berechtigt, Freuds Darstellung der Methode zu folgen, ohne daß wir dem Begriff der Analyse einen anderen (naturalistischen) Sinn unterschieben müßten als den Sinn, den er bei Freud hat und dessen wesentliches Moment eben die Erkenntnis des Unbewußten als Einsicht in die konstitutive Gesetzmäßigkeit des Unbewußten ist.
Wir machen uns die Methode der psychoanalytischen Erkenntnis des Unbewußten nochmals an Freuds Theorie der Fehlleistungen klar. Wir fragen also, »wie man die beiden miteinander in Interferenz tretenden Tendenzen feststellt« (Vorl., 35). Die eine der beiden Tendenzen, die gestörte, ist, wie wir wissen, »immer unzweifelhaft; die Person, welche die Fehlleistung begeht, kennt sie und bekennt sich zu ihr« (Vorl., 35). Problematisch ist die Erkenntnis der
störenden
Intention. Manchmal, bei vielen Versprechungen etwa, ergibt sie sich ohne weiteres; wenn nämlich der betreffende Redner sich
korrigiert.
Freud gibt ein Beispiel: Ein Redner sagt: »Das
draut,
nein das dauert vielleicht noch einen Monat.« Man fragt ihn, warum er zuerst »draut«, nicht »dauert« gesagt habe, und er erinnert sich: »Ich wollte sagen, das sei eine
›traurige‹
Geschichte.« Die Ähnlichkeit der Worte »dauert« und »traurig« bot die Bedingung für das Auftreten der Fehlleistung gerade an jener Stelle; ihre
Erklärung
aber wird erst gewonnen durch den Vollzug der Erinnerung an die störende Intention, die die
Bedeutung
des Wortes »traurig« ausmacht und zu der entstellten Bildung »draut« führt. Für die psychoanalytische Methode der Erkenntnis des Unbewußten ist dabei nun wichtig, daß »ein gewisser Eingriff notwendig« war, »um die Lösung zu fördern. Man mußte den Redner fragen, warum er sich so versprochen habe, was er zu dem Versprechen zu sagen wisse. Sonst wäre er vielleicht an seinem Versprechen vorbeigegangen, ohne es aufklären zu wollen. Befragt, gab er aber die Erklärung mit dem ersten Einfall, der ihm kam. Und nun ...: dieser kleine Eingriff und sein Erfolg, das ist bereits eine Psychoanalyse und das Vorbild jeder psychoanalytischen Untersuchung.« (Vorl., 36) Damit sind zwei der wesentlichsten Elemente der psychoanalytischen
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