Gesammelte Werke
Asketischen und der Fülle. Der seinen Verlag betreute wie ein sorgender Hausvater, war bei großen Entwürfen bedenkenlos large. Dabei war seine eigene Lebensform, auch zur Zeit der großen Erfolge und der öffentlichen Anerkennung, ungemein bescheiden; er hat in den letzten Jahren sogar auf eine eigene Wohnung verzichtet. Einmal sagte er, um seines Vaters willen vermöchte er nicht, sehr teure Restaurants zu besuchen. Aber die psychologische Klugheit, welche dafür die rasche Erklärung zur Hand hätte, wäre wohl töricht. Wenn die Kantische Moralphilosophie den Hedonismus verpönt, weil er der Freiheit zuwider sei, das Subjekt abhängig mache von anderem als seinem vernünftigen Willen, dann war etwas von dieser Freiheitsidee in sein Lebensgefühl gedrungen. Zu einer Zeit, da die Gassen und Ätherwellen vom Lob der Bindungen widerhallen, hat er alle verschmäht und, nach Gides Wort, eine Existenz ohne Koffer geführt, eigentlich die eines Studenten. Das verlieh dem fast Siebzigjährigen ein Altersloses, ohne daß doch der Diskrete und Disziplinierte dem versunkenen Typus des Bohemiens sich zugeneigt hätte. Vielmehr bewegte er sich, geisterhaft zuweilen, bei aller Verflochtenheit in vielfache konkrete Verhältnisse unberührt fast und unberührbar, als hätte keine soziale Ordnung Macht über ihn. Von selbstverständlicher Treue und Zuverlässigkeit, war doch der Wandernde nicht zu fassen. Nur Wanderschaft verbürgt die Wahrheit des Chthonischen, die des Heimwehs. Unwiderstehlich war an Peter die Rätselfigur aus dem nicht zu Bannenden und dem Versprechen von Heimat. Allein Hermann Hesse hat wohl, aus Wahlverwandtschaft, den Bann gelöst.
Was hat er nicht alles in seinem Leben getan. Er war Bauer, Schullehrer und Reformpädagog; Dramaturg und Spielleiter, Soziologe – er wirkte wesentlich an einer ungemein wertvollen Berufskunde mit –, Redaktor, Schriftsteller, Verleger. Arbeitsteilung, den Zwang zum Fachmenschentum hat er unwillkürlich und beharrlich sabotiert. Ihn belohnte eine helle Erfahrenheit, um die jeder Romancier ihn hätte beneiden können, und sie ist nicht zuletzt seinen Autoren zugute gekommen. Literarisch höchst sensibel, stand er zugleich quer zu den immanenten Maßstäben der Literatur, zu den Spielregeln, und reagierte darum primär und unabhängig, ohne Rücksicht auf Standards, welche die Qualität deckten. Er ist damit, wie man so sagt, für seine Autoren kein bequemer Verleger gewesen. Unbeirrbar spürte er die Schwäche eines jeden heraus, wandte auch die darin liegende Macht an. Aber er hat sie niemals dazu mißbraucht, zu Konzessionen zu verleiten, zu dämpfen, nie auf welchen Umwegen auch immer der Produktion gegenüber die Partei des Marktes ergriffen. Sondern er hat, schroff zuweilen, gegen den Autor diesen selbst vertreten, ihn veranlaßt, dem eigenen Potential, unabgelenkt von der eigenen Schwäche, nachzukommen. Vielleicht war es sein Geheimnis – niemals sprach er davon –, daß der heute zum äußersten bedrohte Kontakt zwischen dem sich selbst verantwortlichen Buch und seinen Lesern nicht durch Anpassung hergestellt werden kann, einzig durch gesteigerte Verantwortung hindurch. Zwischen dem Buch und dem Leser gibt es, im Zeitalter sogenannter Kommunikationsforschung, keine Kommunikation mehr, sondern bloß noch den Funken zwischen den Extremen, die Berührung im Schock. Suhrkamp, der Verleger, hat in die Praxis übersetzt, daß kein Allgemeines mehr möglich ist, es sei denn inmitten des selbstvergessenen Besonderen.
Peter Suhrkamps Leistung war paradox: Unverkäufliches verkaufen, dem den Erfolg finden, das ihn nicht sucht, das Fremde ins Nahe wenden. Diese Leistung konnte nur gelingen um ihrer verborgenen objektiven Bedingung willen: daß heute, was den Menschen fremd dünkt, das ist, was ihnen zum Laut verhilft, und daß sie das Entfremdete, Verdinglichte, das sie selber zu Dingen herabsetzt, als das Nahe verkennen. Mit List hat er getrachtet, diesen Schein zu durchbrechen und die auf den Kopf gestellte Wahrheit im Verhältnis von Sache und Rezeption wiederherzustellen. Kompromißlos steuerte er hindurch zwischen dem über die ganze Welt sich ausbreitenden Typus des Massenverlags, der das eigene Interesse hinter der Nachfrage des Konsumenten verschanzt, und der Haltung der intransigenten Avantgarde, die vorweg der Öffentlichkeit und Wirkung gegenüber resigniert und damit tendenziell, ohne ihren Willen, der Arbeitsteilung wiederum sich unterwirft, sich zur
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