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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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Berkut.
    Tiefe, verschlafene Stille breitete sich aus, und es schien, als sei es dadurch noch dunkler geworden. Dann ertönte nicht weit von ihnen ein Schrei, schauerlich und durchdringend. Im Dickicht des Waldes löste sich ein schwerer Tannenzapfen, streifte im Fallen die dichten Zweige und schlug dumpf auf dem Boden auf.
    »Ein Uhu«, erklärte der Biologe.
    »Klingt aber nicht so«, zweifelte Polessow.
    Der Biologe schnaubte.
    »Lieber Freund«, sagte er. »Haben Sie einen Uhu denn schon einmal schreien hören?«
    »Mehr als einmal.«
    »Und haben Sie schon mal gehört, wie ein Uhu von der anderen Seite schreit?«
    »Wie – von der anderen Seite?«
    »Jenseits des Kordons, meine ich. Hinter dem Schlagbaum.«
    »Ich w-weiß nicht«, sagte Polessow unsicher.
    »Na also«, resümierte der Biologe.
    Die Männer verstummten, und in der Finsternis schrie abermals der seltsame Uhu. Der Biologe besann sich.
    »Was stehen wir hier herum?«, sagte er. »Bis zum Morgen ist es noch eine Weile hin. Kommen Sie, ich zeige Ihnen, wo Sie schlafen können.«
    »Vielleicht sollten wir doch …«, begann Iwan Iwanowitsch.
    »Nein«, unterbrach ihn Polessow. »Zuerst die Erkundung. Ich glaube, da vorn ist die Straße sehr schlecht …«
    »Nicht nur schlecht«, erklärte der Biologe. »Auf der anderen Seite gibt es überhaupt keine Straße mehr.«
    »… und im Übrigen haben wir keine Ahnung«, fuhr Polessow fort, »was sich hier tut. Ich schicke die Erkundungskyber gleich auf einen nächtlichen Kontrollgang, damit sie Informationen sammeln. Am Morgen können wir dann aufbrechen.«
    »Richtig«, stimmte der Biologe zu. »Das ist eine vernünftige Herangehensweise.«
    Polessow kletterte in den Panzerwagen und schaltete die Scheinwerfer ein. Durch das blendend helle Licht verdichtete sich die Finsternis ringsum noch mehr, dafür aber traten die weißen Ringe auf dem Schlagbaum deutlicher hervor, und die Metallstäbe der Umzäunung blitzten hell auf. Sie vernahmen ein leichtes, pochendes Geräusch und sahen, wie in den Lichtkegel auf der Chaussee ulkig aussehende, silbrig schimmernde Gestalten sprangen, die mit ihren dünnen Beinen riesigen Grashüpfern ähnelten. Einige Sekunden lang verharrten sie reglos, dann tauchten sie unter dem Schlagbaum durch und verschwanden im hohen Gras auf der anderen Seite.
    »Sind das die Erkundungskyber?«, fragte der Biologe anerkennend.
    »Ja«, antwortete Berkut. »Pjotr!«, rief er leise zum Fahrzeug hin. »Wir gehen schon vor. Sie holen uns dann ein, nicht?«
    »Sicher«, ließ sich Polessow vernehmen.
    Das Häuschen des Biologen hatte drei Zimmer. Kruglis legte den Morgenmantel ab, zog Hose und Pullover an und ging in die Küche. Berkut und Iwan Iwanowitsch richteten sich auf dem Sofa ein, und Iwan Iwanowitsch nickte sofort ein.
    »Sie wollen also ins Epizentrum«, wiederholte der Biologe aus der Küche heraus. »Nun, dort gibt es natürlich einiges zu sehen. Haben Sie vielleicht eine, wenn auch grobe, Vorstellung von dem, was dort vor sich geht?«
    »Wir sind vage informiert«, antwortete Berkut. »Ein wenig haben die Flieger erzählt, aber es ist noch niemand nahe herangekommen.«
    »Ich habe es gesehen, mit eigenen Augen. Das Flackern zum Beispiel … Obwohl – das Flackern haben schon viele gesehen. Nicht aber die Blitze, die aus der Erde heraus zum Himmel schlagen, und den blauen Nebel … Haben Sie schon einmal von dem blauen Nebel gehört?«
    »Ja«, antwortete Berkut.
    »Ich habe ihn zweimal vom Hubschrauber aus gesehen«, teilte Kruglis mit. »Vor einem Monat etwa. Noch vor dem Untergang der ›Galathea‹. Er entsteht im Epizentrum oder in der Nähe davon, breitet sich kreisförmig aus und löst sich etwa hundert Kilometer hinter dem Kordon auf. Was kann das nur sein, Genossen Physiker?«
    »Ich weiß es nicht, Genosse Kruglis.«
    »Dann weiß es niemand. Wir Biologen noch weniger. Klar ist nur, dass da etwas höchst Ungewöhnliches vor sich geht. Achtundvierzig Jahre sind seit der großen Explosion verstrichen, und die Strahlungsintensität hat sich bereits um ein Zehntel verringert. Es wurden Adhärenzen entwickelt, mit deren Hilfe der radioaktive Staub gebunden werden soll, was auch tatsächlich passiert, und plötzlich – Schluss. (Hier öffnete Iwan Iwanowitsch die Augen.) Auf einmal haben wir Funkenausbrüche, Brände, der Teufel ist los …« Der Biologe verstummte, klapperte mit dem Geschirr, und man hörte, wie der Teekessel langsam zu pfeifen begann. »Freilich«, fuhr

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