Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
alter.«
»Der sieht aus, als hätte ihn jemand zerkaut …«
Die Physiker schwiegen erneut. Polessow schien, als atme jemand schwer ins Mikrofon. Er drehte an den Knöpfen: Jemand zog pfeifend, wie ein Asthmatiker, in gleichmäßigem Rhythmus die Luft ein und stieß sie zischend wieder aus.
»Wie sieht’s aus?«, erkundigte sich Polessow sicherheitshalber.
Dumpf, als läge ein Kissen dazwischen, drang Berkuts Stimme an sein Ohr: »Alles in Ordnung, Pjotr Wladimirowitsch. Wir setzen unseren Weg fort.«
Im Empfänger knackte es, dann wurde es still. Polessow holte ein Röhrchen mit Sporamin aus der Tasche, schluckte eine Tablette und warf einen Blick auf den Bildschirm. Jenseits des Erdwalls, nicht weit vom Waldrand, lagen unzählige Trümmer und geborstene Teile aus Metallplast umher; sie glänzten grell in der Sonne. Es waren die Überreste der »Galathea« – eines automatischen Turbofliegers, der vor einem Monat zu einem Erkundungsflug ins Epizentrum ausgeschickt worden war. Die »Galathea« war mitten über der gefährlichen Zone explodiert – die Gründe waren unbekannt. Seitdem hatte Leming sämtliche Erkundungen untersagt, die auf dem Luftweg erfolgen sollten. Polessow fragte ins Mikrofon: »Genosse Berkut, hören Sie mich? Iwan Iwanowitsch!«
Er erhielt keine Antwort und sagte sich, dass es nun wohl doch an der Zeit sei, das Fahrzeug zu verlassen. Vorher aber wollte er noch einmal versuchen, Kontakt mit dem Stützpunkt in Lantanida zu bekommen. Er betätigte die Taste. Unvermittelt wurde die Stille unterbrochen.
»Testudo! Testudo!«, brüllte jemand. »Testudo, antworten!«
»Testudo hört«, meldete sich Polessow gereizt.
»Ist dort Testudo? Hier Leming. Wo seid ihr bloß abgeblieben? Warum habt ihr nicht geantwortet?«
Polessow erklärte, dass sie keine Verbindung hatten herstellen können.
»Wo haltet ihr euch jetzt auf?«
»Im Epizentrum.« Es folgte eine kurze Pause, dann erkundigte sich Leming, nun schon bedeutend ruhiger: »Habt ihr es gefunden?«
»Was – gefunden?«, fragte Polessow seinerseits.
»Was heißt hier – was? Den ›Zeitmotor‹ natürlich. Bist du’s, Berkut?«
Polessow erklärte, dass sich besagter Berkut und Iwan Iwanowitsch in ein unterirdisches Gewölbe aufgemacht hätten und er nicht im Geringsten verstünde, von welchem ›Zeitmotor‹ hier die Rede sei.
»Nicht so wichtig«, unterbrach ihn Leming ungeduldig. »Also sind sie doch hinuntergestiegen, diese Halunken. Na, mit denen werde ich noch ein Wörtchen reden! Hör zu, Genosse, fahr den Panzer unverzüglich etwas weiter von diesem … Gewölbe weg und warte dort. Hast du verstanden? Zur Seite fahren und warten.«
»Verstanden«, wiederholte Polessow. »Zur Seite fahren und warten.«
»Na los, mach schon. Hast du Verbindung mit Berkut?«
Polessow überlegte einen Augenblick und schaltete dann das Gerät ab.
»Soso, ein Zeitmotor«, sagte er laut vor sich hin. »Auch gut.«
Er stand auf, streifte sich den Schutzanzug über und verließ das Fahrzeug. Die Füße versanken bis zu den Knöcheln in schwarzer Asche. Schließlich erreichte er die Betonkuppel und sah in die Krateröffnung. Das Seil verlor sich in undurchdringlicher Finsternis. Polessow blickte sich um: Der »Testudo« stand in einiger Entfernung vom Erdwall und verfolgte seine Bewegungen mit blitzenden, vorgewölbten Scheinwerferaugen. Polessow hockte sich auf die Erde und begann, die Muskeln bis zum Äußersten gespannt, den Abstieg.
Unten war es stockdunkel. Er schaltete die Laterne ein, die am Helm befestigt war. Der Lichtschein huschte über geborstene Wände und Überreste zertrümmerter Apparaturen, über den Boden, der von einer hauchdünnen, wie gepuderten, Staubschicht bedeckt war. Dann entdeckte Polessow Fußspuren im Staub und folgte ihnen hastig. Dabei musste er häufig im Weg liegende Trümmerhaufen umgehen und blieb nicht selten an zerrissenen Drähten hängen. Und wieder vernahm er durchs Radiofon ein gleichmäßiges ächzendes Schnaufen.
Da … eine Biegung. Dann ein enger Korridor. Noch eine Biegung – und Polessow stürzte Hals über Kopf eine Eisenleiter hinab. In den Fingerspitzen verspürte er plötzlich das bekannte Kribbeln: Hunderte winziger Nadeln schienen sich ihm in die Haut zu bohren. Polessow begann zu laufen. Noch eine Leiter, ein zweiter Korridor. Das rhythmische Atmen im Kopfhörer schwoll zu einem gewaltigen, wilden Brüllen an »O-oh, A-ah, O-oh, A-ah«.
Schweiß rann Polessow in die Augen, und die Brust
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