Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
angreift, die sich von geschützten Orten entfernen, ist klar, auch, warum gerade nachts. Doch weshalb hat sie es auf Menschen abgesehen, und weshalb immer von rechts? Gibt es auf dem Mars vielleicht Zweibeiner, die rechts leicht, links dagegen schwerer zu verwunden sind? Wo stecken diese Zweibeiner dann? In den fünf Jahren unserer Marsbesiedlung sind wir hier auf kein einziges Lebewesen gestoßen, das größer gewesen wäre als ein Mimikrodon. Allerdings ist sie erst vor zwei Monaten hier aufgetaucht. In diesen zwei Monaten hat sie achtmal angegriffen – und niemand, der sie je zu Gesicht bekommen hätte. Denn sie greift immer nachts an. Um was für ein Lebewesen es sich da handeln mag? Chlebnikow hat sie den ganzen rechten Lungenflügel zerrissen; er musste eine künstliche Lunge und zwei Rippen eingepflanzt bekommen. Der Wunde nach zu urteilen verfügt sie über ungemein komplizierte Mundwerkzeuge: mindestens acht Kiefer mit Schneidplatten, scharf wie Rasiermesser. Chlebnikow kann sich nur noch an einen langen, glänzenden Körper mit glattem Fell erinnern. Sie hatte hinter einer Düne gelauert und ihn dann aus dreißig Schritt Entfernung angegriffen … Mandel sah sich hastig um. Fast wären wir zu zweit hier durchmarschiert, dachte er. Ob Novago schießen kann? Wahrscheinlich, immerhin hat er ja lange Zeit bei einem Geologentrupp in der Taiga gearbeitet. Was übrigens die Zentrifuge betrifft – das ist keine schlechte Idee. Sieben, acht Stunden normaler Schwerkraft am Tage würden dem Bürschchen durchaus genügen. Aber wieso eigentlich Bürschchen? Es kann genauso gut ein Mädchen werden. Das wäre in gewisser Weise sogar besser, Mädchen überstehen Abweichungen von der Norm leichter …
Sie hatten die Ebene mit den Salzsümpfen hinter sich gelassen. Rechts zogen sich nun lange, schmale Gräben hin, an deren Rändern pyramidenförmige Sandhaufen lagen. In einem der Gräben stand ein Bagger mit geneigtem Greifer.
Der Bagger muss weg, dachte Opanassenko. Wozu soll er nutzlos hier herumstehen? Die Stürme setzen bald ein. Vielleicht fahre ich ihn auf dem Rückweg selber weg. Schade nur, dass er so langsam ist – über die Dünen macht er nicht mehr als einen Kilometer in der Stunde. Wäre nicht schlecht jetzt. Die Beine tun mächtig weh. Morgan und ich haben heute fünfzig Kilometer zurückgelegt. Im Lager werden sie sich schon Sorgen machen. Nicht weiter schlimm, dachte er, von der Biostation aus werden wir einen Funkspruch durchgeben. Wie es jetzt wohl dort aussieht? Der arme Slawin! Trotzdem eine tolle Sache: Auf dem Mars wird ein Kind geboren! Da werden also mal Menschen von sich sagen können: »Ich bin auf dem Mars geboren.« Bloß nicht zu spät kommen! Opanassenko legte einen Schritt zu. Hut ab vor den zwei Ärzten, dachte er. Die sind doch weiß Gott immer im Einsatz. Ein Glück, dass wir sie getroffen haben. Die auf dem Stützpunkt haben immer noch nicht verstanden, was die Wüste bei Nacht bedeutet. Es wäre gut, eine Patrouille einzurichten – oder noch besser: einen ständigen Wachschutz auf sämtlichen Crawlern und Geländewagen des Stützpunkts.
Humphrey Morgan schwieg. Die Hände auf dem Karabiner, hielt er den Blick beim Ausschreiten unverwandt nach rechts gerichtet. Auch ihm ging alles Mögliche durch den Kopf: Außer dem Diensthabenden, den das Ausbleiben der zwei Männer gewiss beunruhigte, schliefen die anderen im Lager schon; morgen musste eine Gruppe ins Quadrat E-11 begleitet werden; nun hatte er fünf Abende hintereinander »Fjodor’s gun« zu reinigen und nicht zuletzt die Hörvorrichtung des Helms zu reparieren. Auch fand er, dass die zwei Ärzte feine Kerle waren, tapfer, und dass Irina Slawina ihnen da in nichts nachstand. Dann wanderten seine Gedanken zu Galja, der Funkerin vom Stützpunkt. Er bedauerte, dass sie ihn, wenn sie sich schon mal begegneten, immer nur über Hasegawa ausfragte. Der Japaner war ein prima Kollege, nur ließ er sich in letzter Zeit auffällig oft auf dem Stützpunkt sehen. Ein kluger Kopf allerdings, das musste man ihm lassen. Er hatte als Erster den Gedanken geäußert, die Jagd auf die »fliegenden Blutegel« (»Sora-tobu Hiru«) könnte den Fährtensuchern dabei helfen, den marsianischen Zweibeinern auf die Spur zu kommen … Ach, diese vertrackten Zweibeiner … Einfach zwei gigantische Satelliten zurückzulassen und sonst nichts …
Opanassenko blieb unvermittelt stehen und hob den Arm. Die anderen machten gleichfalls halt. Humphrey Morgan warf
Weitere Kostenlose Bücher