Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
Meeresschutzsubmarine abfinden.
Von Belows lautem Seufzen und dem Dröhnen des überhitzten Dampfes im Reaktor abgesehen, war es still in der Kabine. Eng, still und finster. Hin und wieder prallten Garnelen gegen das Spektralglas des Illuminators und stießen dann erschrocken kleine Wolken phosphoreszierenden Schleims aus; es erinnerte an lautlose kleine Explosionen, so als würden winzige rosafarbene Geschosse abgefeuert. Und bei jeder dieser Explosionen fiel ein Lichtschimmer auf das ernste Gesicht Akikos und ihre glänzenden Augen.
Akiko hielt den Blick auf den Bildschirm gerichtet. Obwohl sie genau wusste, dass sich die Suche unter Umständen die ganze Nacht hinziehen konnte, saß sie von Anfang an so da, seitlich gegen die Wand gepresst, und schaute angespannt auf den Bildschirm. Dieser befand sich unterhalb des Illuminators in der Mitte des Pults, und sie musste sich ziemlich den Hals verrenken, um ihn sehen zu können. Dennoch starrte sie unverwandt dorthin und schwieg. Es war ihre erste Tiefsee-Erkundung.
Akiko war Meisterin im Freistilschwimmen. Sie hatte schmale Hüften und ziemlich breite, männliche Schultern. Kondratjew mochte ihren Anblick und hätte gar zu gern unter irgendeinem Vorwand das Licht eingeschaltet, etwa, um ein letztes Mal den Lukenverschluss zu prüfen, bevor sie auf Tiefe gingen. Doch er hielt sich zurück. Er sah das Mädchen auch so genau vor sich: schlank und ein wenig eckig war sie, wie eine Halbwüchsige, hatte kräftige Schultern, trug eine Leinenjacke mit aufgekrempelten Ärmeln und weite Shorts.
Auf dem Bildschirm wurde ein großer, heller Fleck sichtbar, und Akikos Schulter drängte sich näher an seine. Kondratjew spürte förmlich, wie sie den Hals reckte, um besser sehen zu können. Er merkte es an dem leichten Duft von Parfüm und dem kaum wahrnehmbaren Geruch nach Meerwasser. Akiko roch immer ein wenig nach Meerwasser, was nicht weiter verwunderlich war, verbrachte sie doch mindestens zwei Drittel ihrer Zeit im Ozean.
Kondratjew meldete: »Haie! In vierhundert Metern Entfernung!«
Das Bild begann zu vibrieren, zerfiel in kleine Punkte und verschwand ganz. Akiko rückte wieder ein Stück ab. Sie hatte noch nicht gelernt, die Signale des Ultraschalllokators zu lesen. Below dagegen konnte das, er hatte bereits ein Jahr Praktikum auf der »Kunaschir« hinter sich. Freilich saß er im Augenblick zu weit hinten, um den Bildschirm beobachten zu können, und so sagte er nur: »Haie sind scheußlich.«
Dann, nach einer ungelenken Bewegung wieder: »Beg your pardon, Akiko-san.«
Es bestand nicht die geringste Veranlassung, Englisch zu sprechen, denn Akiko hatte fünf Jahre in Chabarowsk studiert und konnte ausgezeichnet Russisch.
»Du hättest nicht so viel essen sollen«, sagte Kondratjew ärgerlich. »Vor allem nicht trinken. Du weißt doch selber, wie das ausgeht.«
»Alles in allem war’s nur eine gebratene Ente, und die für zwei Personen«, erwiderte Below. »Und zwei Gläschen pro Mann. Ich konnte sie ihm unmöglich abschlagen, immerhin haben wir uns eine Ewigkeit nicht gesehen, und heute Nacht fliegt er ab. Wahrscheinlich ist er schon weg. Gerade mal zwei Gläser pro Mann … Riecht man das wirklich?«
»Ja.«
So was Dummes, dachte Below. Er stülpte die Unterlippe vor, hauchte und schnupperte.
»Ich habe bloß Parfümgeruch in der Nase«, sagte er.
Trottel, dachte Kondratjew, und Akiko sagte schuldbewusst: »Ich wusste nicht, dass es unerwünscht ist. Sonst hätte ich es natürlich weggelassen.«
»Parfüm ist ungefährlich«, erklärte Below. »Im Gegenteil: Es ist sehr angenehm.«
Ich hätte ihn dalassen sollen, dachte Kondratjew. Im gleichen Augenblick stieß Below mit dem Kopf gegen den Lukenverschluss und stöhnte vor Schmerz auf.
»Ist was?«, fragte Kondratjew.
Below seufzte nur, wechselte in den Schneidersitz und tastete mit einer Hand nach dem Lukenverschluss; er fühlte sich kalt an und hatte scharfe Kanten. Dann zog er den schweren Deckel fester an die Luke heran. Oberhalb des Deckels war Wasser. Eine hundert Meter dicke Schicht Wasser.
»He, Kondratjew«, sagte Below.
»Ja?«
»Warum fahren wir eigentlich unter Wasser? Lass uns auftauchen und die Luke öffnen. Dann haben wir wenigstens frische Luft.«
»Aber auch Windstärke fünf«, erwiderte Kondratjew.
Da hat er recht, dachte Below. Windstärke fünf brächte uns ganz schön ins Schlingern, mit Kübeln würde es in die offene Luke schütten. Trotzdem sind hundert Meter Wasser über dem
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