Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
Vom Netzwerk:
waren, als dass man sie hätte genauer erkennen können. Below sah erneut zu den Skalen hinüber und suchte den Tiefenmesser. Das Bathymeter befand sich ganz links außen. Der rote Pfeil näherte sich langsam der 200. Schon bald würde er ebenso langsam auf die 300 und dann auf die 400 zusteuern … Unter ihnen befand sich ein Abgrund von drei Kilometern Tiefe; die Submarine selbst war nichts als ein winziges Tröpfchen in den unvorstellbaren Wassermassen des Ozeans. Below hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr richtig atmen zu können. Die Dunkelheit in der Kabine war jetzt ebenso undurchdringlich und mitleidlos wie das salzige Wasser außenbords. Es geht los, dachte Below … Er holte tief Luft und versuchte, sie möglichst lange in der Lunge zu behalten. Dann kniff er die Augen zu, krallte sich mit beiden Händen in die Rückenlehne des Sessels und begann im Geist vor sich hin zu zählen. Erst als vor seinen geschlossenen Augen bunte Flecken tanzten, stieß er die Luft geräuschvoll aus und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Sie war schweißnass.
    Der rote Pfeil hatte die Zweihundertmetermarke erreicht. Im Dunkeln sah das sehr hübsch, aber auch unheilverkündend aus: der rote Strich über den grünlich leuchtenden Zahlen, rubinroter Pfeil und smaragdgrüne Ziffern: 200, 300 … 1000 … 3000 … 5000 … Völlig unbegreiflich, wieso ich ausgerechnet Ozeanologe geworden bin, überlegte Below. Ich hätte lieber Metallarbeiter oder Gärtner werden sollen. Ausgesprochen dumm von mir. Auf hundert Menschen gibt es nur einen, der tiefenkrank wird, und dieser eine bin ich, ein Ozeanologe, der an seinem Beruf hängt, weil er sich so gern mit Kopffüßern befasst. Ich bin geradezu verrückt nach diesen Cephalopoden, der Teufel soll sie holen. Weshalb interessiere ich mich nicht für andere Tiere, beispielsweise für Kaninchen? Oder für Regenwürmer, fette Regenwürmer in nasser Erde unter sengender Sonne. Da gäbe es weder Dunkelheit noch die Angst vor diesem Salzwasserschaukeln. Nur Erde gäbe es und Sonne … Dann sagte er laut: »Du, Kondratjew …«
    »Ja?«
    »Hättest du Lust, dich mit Regenwürmern zu befassen?«
    Kondratjew bückte sich und tastete mit der Hand ins Dunkel. Ein metallisches Klicken ertönte, und ein Strahl eiskalten Sauerstoffs traf Below mitten ins Gesicht. Der Praktikant atmete ihn gierig ein, gähnte dabei krampfhaft und verschluckte sich.
    »Es reicht«, sagte er. »Vielen Dank.«
    Kondratjew schaltete den Sauerstoff ab. Die Regenwürmer waren ihm gleichgültig. Inzwischen hatte der rote Pfeil die 300 hinter sich gelassen, und Below begann erneut: »Du, Kondratjew …«
    »Ja?«
    »Bist du sicher, dass es ein Kalmar war?«
    »Wovon sprichst du?«
    »Na, dass es ein Kalmar war, der die Wale gerissen hat?«
    »Höchstwahrscheinlich, ja.«
    »Und wenn es nun doch Schwertwale waren?«
    »Auch möglich.«
    »Oder ein Pottwal?«
    »Vielleicht auch ein Pottwal. Obwohl der nur weibliche Tiere angreift, von denen es in dem Schwarm ja genügend gab. Und der Schwertwal fällt ausschließlich über Tiere her, die einzeln schwimmen.«
    »Es war bestimmt ein Oo-ika«, ließ sich Akiko leise vernehmen.
    Der Oo-ika war ein gigantischer Tiefseekalmar, blutrünstig und blitzschnell in seinen Bewegungen, mit einem mächtigen, geschmeidigen Körper, zehn kräftigen Fangarmen und grausamen, intelligenten Augen. Er fiel den Wal von unten her an und biss ihm in Sekundenschnelle die Eingeweide durch. Dann ließ er sich mit dem Kadaver langsam auf den Grund sinken, und kein Hai, war er auch noch so hungrig, wagte es, sich ihm zu nähern. Unten grub sich der Kalmar in den Schlamm ein und begann mit seinem Mahl. Begegnete er einer Submarine vom Meeresschutz, so wich er nicht etwa zurück, sondern nahm den Kampf auf – umringt von Haien, die nur darauf warteten, sich auf Fleischklumpen aus seinem Körper zu stürzen. Das Fleisch des Riesenkalmars war zäh wie Gummi, doch das störte die Haie nicht.
    »Tja«, sagte Below. »Wahrscheinlich war’s ein Kalmar.«
    »Sicher sogar«, stimmte Kondratjew zu, dachte aber: Ist doch völlig gleichgültig, um was für ein Biest es sich handelt. In solchen Senken kann sich noch ganz anderes Vieh herumtreiben. Man muss es aufspüren und vernichten, sonst kriegen wir keine Ruhe. Wo es sich schon über die Wale hermacht. Doch würde ich jetzt auf so ein Biest stoßen, hätte ich sofort die beiden Praktikanten am Hals. Sie würden das unbekannte Tier unbedingt untersuchen wollen.

Weitere Kostenlose Bücher