Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
dachte er bei sich. Der Mann mit der Fackel rief etwas, was Swanzew im Rauschen des Regens nicht verstand; dann marschierten alle drei hastig auf das Auto zu, was wegen der riesigen, nassen Regenmäntel sehr plump wirkte. Der Mann mit der Fackel rief erneut etwas und verzog dabei ärgerlich den Mund. Da schaltete Swanzew das Fernlicht aus und öffnete die Tür.
»Der Motor!«, rief der Fackelträger, während er dicht an Swanzew herantrat. »Schalten Sie doch endlich den Motor aus!«
Swanzew gehorchte und kletterte aus dem Wagen in den feinen, aber kräftigen Nieselregen hinaus.
»Mein Name ist Swanzew«, stellte er sich vor. »Ich bin Ozeanologe und möchte zu Akademiemitglied Okada.«
»Löschen Sie das Licht im Wagen«, befahl der Mann mit der Fackel. »Nun machen Sie schon!«
Swanzew wollte der Aufforderung nachkommen, als das Licht bereits ausging.
»Wen haben Sie bei sich?«, fragte der Mann.
»Die Ozeanologin Kondratjewa«, antwortete Swanzew verärgert. »Meine Mitarbeiterin.«
Die drei in den Umhängen schwiegen.
»Können wir weiterfahren?«
»Ich bin Michajlow, technischer Mitarbeiter«, stellte sich der mit der Fackel vor. »Man hat mich beauftragt, Ihnen auszurichten, dass Akademiemitglied Okada keinen Besuch emp fangen kann.«
»Darüber möchte ich gern mit Professor Casparo sprechen«, erwiderte Swanzew. »Bringen Sie mich zu ihm.«
»Professor Casparo ist sehr beschäftigt. Es wäre uns nicht recht, wenn er gestört würde.«
Swanzew wollte schon fragen, wer das sei: »uns«, doch er hielt sich zurück. Ihm war aufgefallen, dass Michajlow mit der undeutlich monotonen Stimme eines Menschen sprach, der auf das Äußerste erschöpft ist.
»Ich muss Akademiemitglied Okada eine Mitteilung von großer Bedeutung überbringen«, sagte Swanzew. »Bitte führen Sie mich zu Casparo.«
Die drei schwiegen. Der rote ungleichmäßige Lichtschein huschte über ihre Gesichter; sie waren nass und hohlwangig.
»Also was ist?«, drängte Swanzew ungeduldig.
Da bemerkte er, dass Michajlow schlief. Die Hand mit der Fackel zitterte leicht und sank immer tiefer herab; seine Augen waren geschlossen.
»Tolja«, sagte einer der Kameraden leise und tippte ihm an die Schulter.
Michajlow schreckte auf, wedelte kurz mit der Fackel und starrte Swanzew an; seine Lider waren angeschwollen.
»Was ist?«, fragte er leise. »Ach ja, Sie wollten zu Akademiemitglied Okada … Aber ich sagte doch schon, dass niemand zu ihm kann. Überhaupt darf niemand das Gelände des Instituts betreten. Also bitte, fahren Sie wieder ab.«
»Ich muss Akademiemitglied Okada eine Mitteilung von größter Bedeutung überbringen«, wiederholte Swanzew geduldig. »Ich bin der Ozeanologe Swanzew, und im Wagen sitzt meine Kollegin Kondratjewa. Es ist wirklich dringend.«
»Und ich bin Michajlow, technischer Mitarbeiter«, wiederholte nun der Mann mit der Fackel müde. »Sie können jetzt nicht zu Okada. Er wird im Laufe der nächsten sechs Stunden sterben, und womöglich schaffen wir es bis dahin nicht mehr.« Der Mann brachte kaum die Lippen auseinander. »Professor Casparo ist sehr beschäftigt, er hat darum gebeten, nicht gestört zu werden. Bitte, fahren Sie zurück …«
Dann wandte er sich zu seinen Kameraden und sagte resigniert: »Los, Jungs, gebt mir noch mal zwei Tabletten.«
Swanzew stand im Regen und überlegte, womit er diesen Mann, der schon im Stehen einschlief, überzeugen könnte. Michajlow, der seitlich von ihm stand, schluckte mit zurückgeworfenem Kopf die Medizin. Dann sagte er: »Vielen Dank, Jungs, ich bin völlig am Ende. Ihr habt es hier im Regen wenigstens kühl; bei uns kippen sie um wie die Fliegen, einer nach dem andern. Kippen um, rappeln sich wieder hoch und sacken erneut zusammen. Bis wir sie dann wegtragen …« Er sprach noch immer sehr undeutlich.
»Na, ist ja heute die letzte Nacht …«, sagte einer der Männer.
»Schon die neunte«, erwiderte Michajlow.
»Die zehnte.«
»Tatsächlich? Mein Kopf ist schwer wie Gusseisen.« Dann wandte sich Michajlow wieder Swanzew zu und sagte: »Entschuldigen Sie, Genosse …«
»Ozeanologe Swanzew«, sagte der zum dritten Mal. »Genosse Michajlow, Sie müssen uns unbedingt durchlassen. Wir kommen gerade von den Philippinen und haben eine sehr dringende Information für Professor Okada. Sein Leben lang hat er darauf gewartet. Verstehen Sie doch, ich kenne ihn seit dreißig Jahren und kann wirklich einschätzen, ob er ohne diese Mitteilung sterben soll oder nicht.
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