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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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polternd zu Boden fiel.
    »Um Himmels willen!«, rief jemand weiter hinten. »Bist du es, Tolja?«
    »Ja«, bestätigte Michajlow.
    Swanzew sah sich um. In der Ecke des Vestibüls herrschte rötliches Halbdunkel, und im Schein von Michajlows Fackel erblickte Swanzew ein junges Mädchen mit blassem Gesicht. Sie lag auf einem Sofa und hatte sich in eine dunkle Decke gehüllt.
    »Hast du etwas Gutes zu essen mitgebracht?«, fragte das Mädchen.
    »Sanjka bringt gleich etwas«, antwortete Michajlow. »Möchtest du Schokolade?«
    »Ja, gern!«
    Der Techniker begann, mit der Fackel wedelnd, in den Taschen seines Umhangs zu kramen.
    »Geh und löse Sina ab«, sagte das Mädchen. »Sie soll herkommen und sich ein bisschen hinlegen. In der Zwölf schlafen jetzt die Jungs. Draußen regnet es, oder?«
    »Ja.«
    »Ein Glück, dass wir es bald hinter uns haben.«
    »Hier ist die Schokolade«, sagte Michajlow. »Ich gehe dann. Dieser Mann will übrigens zum Akademiemitglied.«
    »Zu wem?«
    »Na, zu Okada.«
    Das Mädchen stieß einen leisen Pfiff aus.
    Swanzew querte das Vestibül und schaute sich ungeduldig um. Michajlow folgte ihm; das Mädchen hatte sich jetzt aufgesetzt und die Decke abgestreift. Sie wickelte die Schokolade aus. Im Kerzenlicht war nichts von ihr zu sehen als ein kleines, blasses Gesicht und der eigentümliche silberfarbene Kittel mit Kapuze, den sie trug. Michajlow, der gerade seinen Regenumhang ablegte, steckte im gleichen Kittel. In diesem Aufzug und dem unwirklichen Licht der Fackel erinnerte er an ein Gespenst.
    »Warten Sie bitte einen Augenblick hier, Genosse Swanzew«, sagte er. »Ich bringe Ihnen gleich einen Kittel. Behalten Sie Ihren Umhang so lange an.«
    »In Ordnung«, erwiderte Swanzew und nahm auf einem Stuhl Platz.
    In Casparos Arbeitszimmer war es dunkel und kalt; das Geräusch des Regens wirkte einschläfernd. Michajlow hatte sich mit den Worten entfernt, er hole den Professor. Die Fackel hatte er mitgenommen, und Kerzen gab es in diesem Raum nicht. Swanzew, der sich zunächst in den Besuchersessel an einen großen, leeren Tisch gesetzt hatte, stand auf, tastete sich zum Fenster vor und starrte, die Stirn gegen das kalte Glas gepresst, in die Nacht hinaus.
    Casparo ließ auf sich warten.
    Es wird sehr schwer werden ohne Okada, dachte Swanzew. Wir hätten mehr auf ihn achtgeben sollen, er hätte noch gut zwanzig Jahre leben können. Es wäre längst Zeit gewesen, ihn von seiner Teilnahme an den Tiefsee-Erkundungen abzuhalten. Wenn ein Mensch über hundert ist und reichlich sechzig Jahre davon in Tiefen von mehr als tausend Metern zugebracht hat, verwundert es nicht, wenn er eines Tages an der blauen Paralyse erkrankt. Verflucht soll sie sein!
    Swanzew trat vom Fenster zurück, ging zur Tür und sah auf den langen Korridor hinaus. Entlang der Wände brannten vereinzelt Kerzen. Von irgendwoher drang eine Stimme zu ihm, die mit der Gleichmäßigkeit eines Metronoms immer ein und dasselbe wiederholte. Swanzew lauschte, konnte aber kein Wort verstehen. Dann tauchten im rötlichen Dämmerlicht am Ende des Korridors schemenhaft zwei hochgewachsene, hell gekleidete Gestalten auf. Sie gingen lautlos an ihm vorbei, so als würden sie durch die Luft schweben. Unter den weit in die Stirn gezogenen silbernen Kapuzen konnte Swanzew erschöpfte Gesichter sehen.
    »Willst du was essen?«, fragte der eine.
    »Nein, bloß schlafen.«
    »Ich esse schon etwas …«
    »Nein, nein, erst mal schlafen. Nichts als schlafen.«
    Sie unterhielten sich leise, doch im Flur waren ihre Worte deutlich zu hören.
    »Jane hätte um ein Haar ihren Sektor ruiniert. Casparo konnte sie gerade noch beim Arm packen.«
    »Mist!«
    »Casparos Gesicht hättest du sehen sollen.«
    »Verdammter Mist! Welcher Sektor war es?«
    »Zwölftausendsechshundertdrei. Ungefähr da, wo das Gleichgewichts- und Hörzentrum liegt.«
    »Oje, oje!«
    »Casparo hat sie schlafen geschickt. Jetzt sitzt sie in Zimmer sechzehn und weint.«
    Die beiden in den hellen Kitteln verschwanden. Swanzew hörte sie noch reden, während sie die Treppe hinuntergingen, konnte aber nichts mehr verstehen. Er schloss die Tür und nahm wieder im Sessel Platz.
    Soso, eine gewisse Jane hätte also um ein Haar das Hörzentrum ruiniert. Nutzloses Weibsbild! Casparo hatte sie gerade noch am Arm packen können. Und wenn er’s nun nicht gemerkt hätte? Swanzew presste die Hände fest zusammen und schloss die Augen. Er wusste so gut wie gar nichts über den »Großen Versuch« .

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