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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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würde vielleicht auch ein Koffer ausreichen. Und für mich ebenfalls. Einer der Reinigungskyber kam auf staksigen Beinen gemächlich angerollt, um das weggeworfene Papier aufzulesen.
    »He, Sanjka!«, rief Michajlow unvermittelt.
    Ein Lastwagen bremste, der sie gerade hatte überholen wollen, und der Fahrer steckte den Kopf aus dem Kabinenfenster. Die beiden stiegen ein.
    »Wo hast du denn deine Kamele?«, erkundigte sich Michajlow.
    »Die weiden irgendwo«, antwortete der Fahrer. »Ich habe sowieso genug von ihnen. Als ich sie ausspannte, haben sie mich wieder von oben bis unten vollgespuckt.«
    Michajlow schlief bereits, den Kopf an Swanzews Schulter gelehnt.
    Der Fahrer – ein kleiner Kerl mit dunklen Augen – trieb den schweren Lastwagen auf hohe Geschwindigkeit und sang dabei, ohne die Lippen zu bewegen, leise vor sich hin. Es war ein altes, fast vergessenes kleines Lied. Swanzew hörte eine Weile zu, doch dann entdeckte er mehrere Hubschrauber, die tief über der Landstraße flogen. Es waren sechs Helikopter, und er sagte sich, dass in dieser toten Zone nun wieder das Leben pulsieren würde. Die Gleitstraßen waren wieder in Gang gesetzt worden; die Leute strebten ihren Wohnungen zu; die Mikrowetteranlagen hatten ihre Arbeit wiederaufgenommen, und die Lichtsignalmasten am Chausseerand leuchteten auf. Schon entfernte man die Sperrholzplatte mit der krakeligen Aufschrift. Im Radio wurde gerade gemeldet, dass die »Große Codierung« abgeschlossen und erfolgreich verlaufen sei – wahrscheinlich befanden sich in den Hubschraubern Leute von Presse und Fernsehen, um Aufnahmen von diesen geduckten gelblichen Gebäuden und den tropfenden Kerzen vor abgeschalteten Pulten in die ganze Welt zu schicken. Einer der Reporter würde sich garantiert an Casparo heranpirschen und ihn wecken, womöglich sogar ziemlich unsanft vor lauter Aufregung. Und sehr bald schon würde die ganze Welt wissen, dass der Mensch in nicht allzu ferner Zukunft unsterblich war – jeder Einzelne, nicht nur die Menschheit. Nun, anfangs würde man nur die Besten dafür auswählen …
    Swanzew sah den Fahrer an und fragte lächelnd: »Sagen Sie, Genosse, möchten Sie gern ewig leben?«
    »Jawohl«, erwiderte der Fahrer und lächelte ebenfalls. »Und ich werde ewig leben.«
    »Ja … Und ich möchte das auch«, sagte Swanzew.

Von Wanderern und Reisenden
    Das Wasser in der Tiefe war nicht allzu kalt. Dennoch fror ich. Ich saß auf dem Grund unterhalb des Steilufers und starrte bereits eine geschlagene Stunde angespannt in das grünliche Zwielicht. Ich durfte mich nicht rühren, denn Septopoden sind feinnervige, misstrauische Tiere, die durch den geringsten Laut oder eine einzige unvorsichtige Bewegung aufgescheucht werden können. Dann würden sie verschwinden und erst in der Nacht wiederkommen – doch in der Nacht ließ man sich besser nicht mit ihnen ein.
    Zu meinen Füßen machte sich ein Aal zu schaffen, und etwa zehnmal schwamm würdevoll ein gestreifter Barsch an mir vorbei. Er verharrte jedes Mal vor mir und starrte mich mit seinen ausdruckslosen runden Augen an. Kaum war er verschwunden, erschien ein Schwarm kleiner silbriger Fische und suchte das Wasser über meinem Kopf nach Nahrung ab. Meine Schultern und Knie waren schon völlig steif, und ich befürchtete, Mascha würde das Warten nicht aushalten und nach mir tauchen. So deutlich stand mir vor Augen, wie sie dort oben allein am Wasser saß, angstvoll wartete und drauf und dran war, sich ins Wasser zu stürzen, dass ich mein Versteck schon aufgeben wollte. Doch in diesem Augenblick schwamm, etwa zwanzig Schritt rechts von mir, ein stattlicher Septopode aus dem Pflanzengewirr.
    Den runden grauen Leib voran war er lautlos und unvermittelt wie ein Gespenst aufgetaucht. Sein weißlicher Mantel pulsierte sacht, während er langsam und in regelmäßigen Abständen das Wasser in sich einsog, um es gleich darauf wieder auszustoßen. Er glitt vorwärts und schaukelte dabei leicht von einer Seite auf die andere. Die Enden seiner eingezogenen Fangarme, die an einen großen alten Tuchfetzen erinnerten, schleiften hinter ihm her, und im Dunkeln schimmerte matt das halb vom Lid verdeckte Auge. Der Septopode glitt langsam dahin – wie alle seine Artgenossen am Tag langsam durch das Wasser glitten – in einer seltsamen, fast unheimlich anmutenden Erstarrung, scheinbar absichtslos und ohne erkennbares Ziel. Offenbar trieben ihn dunkle, primitive Instinkte, die sich womöglich kaum von denen

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