Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
die Säcke und Kisten mit den Geräten waren akkurat vor der Mauer eines Gebäudes aufgebaut. Fokin bereitete das Abendessen, wobei er immer wieder laut aufseufzte. Sie waren alle hungrig und warteten deshalb nicht erst auf Ryu. Von ihrem Standort aus konnten sie sehen, dass der Atmosphärenphysiker auf dem Dach seines Labors saß und mit den Antennen hantierte.
»Macht nichts«, meinte Tanja. »Wir lassen ihm etwas übrig.«
»Ach was«, erwiderte Fokin und stopfte gekochtes Kalbfleisch in sich hinein. »Wenn er Hunger hat, wird er schon kommen.«
»Du hast den Hubschrauber schlecht geparkt, Gennadi«, rügte Tanja. »Hast uns den Blick auf den Fluss ja völlig versperrt.«
Alle sahen zum Hubschrauber hinüber – vom Fluss war in der Tat nichts zu entdecken.
»Vom Dach aus hat man hingegen einen sehr guten Blick«, entgegnete Komow ungerührt.
»Nein, wirklich«, sagte nun auch Fokin, der mit dem Rücken zum Fluss saß.»Es gibt rein gar nichts, wo man einigermaßen geschmackvoll hinschauen könnte.«
»Was heißt hier ›rein gar nichts‹?«, fragte Komow wiederum ungerührt. »Und das Kalbfleisch?«
Dann legte er sich auf den Rücken und schaute in den Himmel.
»Mich beschäftigt die Frage«, begann Fokin und wischte sich den Schnurrbart mit einer Serviette ab, »wie wir in diese Särge da hineinkommen sollen.« Er wies mit dem Daumen auf das nächstgelegene Gebäude. »Werden wir graben oder die Wände aufmeißeln?«
»Deswegen lass dir mal keine grauen Haare wachsen«, erwiderte Komow träge. »Interessanter ist doch, wie die, die sie gebaut haben, da hineingekommen sind. Meinst du, sie hätten die Wände aufgemeißelt?«
Fokin sah Komow nachdenklich an und meinte: »Über sie wissen wir doch im Grunde nichts. Vielleicht brauchten sie ja gar nicht hinein.«
»Aha«, sagte Tanja. »Ein neues Architekturprinzip: Man setzt sich ins Gras, zieht um sich herum Wände hoch, schließt die Decke darüber und … und …«
»Und tritt ab«, beendete Mboga ihren Satz.
»Und wenn es tatsächlich Grabkammern sind?«, fragte Fokin herausfordernd.
Eine Zeit lang dachten sie laut über diese Vermutung nach, dann wechselte Komow das Thema und fragte: »Was ist eigentlich mit den Analysen, Tatjana?«
»Es ist Kalkstein«, erwiderte Tanja. »Kohlensaures Kalzium. Mit vielen Zusätzen, versteht sich. Wissen Sie, womit das Ganze Ähnlichkeit hat? Mit Korallenriffen. Es sieht auch so aus, als wäre jedes dieser Gebäude aus einem Stück gehauen …«
»Ein Monolith natürlichen Ursprungs.«
»Da haben wir’s!«, rief Fokin. »Es ist doch immer dasselbe: Wenn wir schon mal auf Spuren stoßen, finden sich sogleich Kollegen, die erklären, es handle sich um natürliche Gebilde …«
»Eine nachvollziehbare Vermutung«, erwiderte Komow.
»Morgen schnappen wir uns den Intravisor, und dann sehen wir weiter«, schlug Tanja vor. »Das Wichtigste ist doch, dass der Kalkstein hier nichts mit dem Bernsteinit gemein hat, aus dem die Stadt auf dem Mars erbaut ist. Und die auf der Wladislawa.«
»Das heißt, außer uns treiben sich noch andere Wesen auf den Planeten herum«, schloss Komow. »Es wäre schön, wenn sie uns diesmal handfestere Beweise ihrer Anwesenheit hinterließen.«
»Eine Bibliothek müsste man finden«, seufzte Fokin schwärmerisch. »Oder Maschinen!«
Sie verstummten. Mboga holte seine Stummelpfeife hervor und begann, sie zu stopfen. Er hockte auf dem Boden und blickte nachdenklich über die Zelte hinweg in den Himmel. Sein kleines Gesicht unter dem weißen Tuch strahlte Ruhe und Zufriedenheit aus.
»Wie still es ist«, sagte Tanja.
Als hätte es bloß dieser Worte bedurft, brach vom Stützpunkt her lautes Getöse los.
»Teufel noch mal«, murmelte Fokin. »Was soll denn das nun wieder?«
Mboga stieß einen Rauchkringel in die Luft, folgte ihm mit seinem Blick und erwiderte leise: »Mir geht es genauso, Boris. Auch ich kann mich zum ersten Mal in meinem Leben nicht darüber freuen, unsere Maschinen auf einem fremden Planeten arbeiten zu hören.«
»Es liegt wohl einfach daran, dass er uns so fremd gar nicht ist«, vermutete Tanja.
Ein großer schwarzer Käfer surrte heran – niemand wusste, woher –, zog mit tiefem Brummen zwei Kreise über den Fährtensuchern und verschwand wieder. Fokin, den Kopf auf den angewinkelten Arm gelegt, war am Einschlafen und seufzte leise. Tanja stand auf und ging ins Zelt. Auch Komow erhob sich und reckte sich genüsslich. Es war sehr still und friedlich ringsum,
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