Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
roten, fein gerippten Knopf am anderen Ende. »Na, dann wollen wir mal«, sagte Sidorow laut. Er ging zum Ei und presste den Saugnapf gegen das polierte Metall. Dann, nach einer Sekunde des Zögerns, drückte er mit dem Daumen auf den roten Knopf.
Ohne einen Blick von dem Ei zu wenden, trat er einen Schritt zurück. Einzig ein Raketenvolltreffer hätte den Prozess jetzt noch aufhalten können, der unter der blitzenden Hülle vor sich ging. Der Embryokyber hatte angefangen, sich auf die neuen Bedingungen einzustellen, und es war ungewiss, wie viel Zeit das in Anspruch nehmen würde. Hatte er sich aber erst einmal angepasst, begann die Entwicklung des Embryos.
Sidorow sah auf die Uhr. Es war zwölf Uhr fünf. Mit einiger Mühe entfernte er den Aktivator vom Ei, verstaute ihn im Plastfutteral und dieses wiederum in seiner Tasche. Dann wandte er sich zu Galzew und Sorotschinski um. Sie standen hinter ihm und starrten schweigend auf das Ei. Sidorow strich ein letztes Mal über die polierte Oberfläche der Apparatur und sagte: »Gehen wir.«
Sidorow gab Anweisung, den Beobachtungspunkt zwischen Hügel und Melonenfeldern zu errichten. Von hier aus war das Ei gut zu sehen – eine kleine, silbern glänzende Kugel auf einem rötlichen Hügel unter blauem Himmel. Er hatte Sorotschinski zu den Archäologen geschickt und es sich selbst im Schatten des Aerobusses im Gras bequem gemacht. Galzew, der zum Schutz vor der Sonne unter einen Flügel des Busses geflüchtet war, schlief bereits.
Sidorow lutschte ein Fruchtbonbon und ließ seinen Blick einmal zum Hügel, einmal zu der seltsamen dreieckigen Wolke im Westen gleiten. Schließlich griff er zum Feldstecher. Wie vermutet, erwies sich die vermeintliche Wolke als schneebedeckter Gipfel eines Berges, wahrscheinlich eines Vulkans. Durchs Fernglas konnte er einige schmale eisfreie Stellen erkennen, ja sogar die mit Schnee bedeckten Flecken unterhalb der ungleichmäßigen weißen Kuppe. Er legte den Feldstecher beiseite und dachte wieder an das Experiment. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde der Embryo zur Nachtzeit aus dem Ei schlüpfen. Das war gut so, denn bei Tageslicht lieferten die Filmkameras für gewöhnlich weniger gute Ergebnisse. Dann ging ihm durch den Sinn, dass sich Sermus gewiss nach allen Regeln der Kunst mit Fisher gestritten hatte, letztlich aber doch in die Sahara gefahren war. Dann dachte er an Mishima, der wohl zur Stunde sein Schiff lud, um vom Raketodrom in Kirgisien zu starten. Abermals empfand er diesen bohrenden Schmerz in der rechten Seite. »Ach ja«, murmelte er. »Erst das Alter, dann das Siechtum.« Er warf einen Blick zu Galzew hinüber. Der Biologe lag auf dem Bauch, die Hände unters Gesicht geschoben.
Anderthalb Stunden später kam Sorotschinski zurück. Sein Oberkörper war nackt, und die dunkle, glatte Haut glänzte von Schweiß. Seine schicke Wildlederjacke und das Hemd trug er unter dem Arm. Er ging vor Sidorow in die Hocke und berichtete mit blitzenden Zähnen, dass die Archäologen für die Information danken ließen und sich sehr für das Projekt interessierten. Sie seien zu viert, hätten aber Hilfe durch Schüler aus Bajkowo und Nordkurilsk. Sie seien gerade dabei, unterirdische japanische Befestigungen aus der Mitte des vorvorigen Jahrhunderts auszugraben, und ihr Chef sei, nebenbei bemerkt, eine ausgesprochen hübsche junge Frau.
Sidorow dankte für den »aufschlussreichen« Bericht und bat den jungen Mann, sich um das Mittagessen zu kümmern. Er selbst blieb im schattigen Gras sitzen, kaute auf einem Grashalm und sah blinzelnd zu dem weit entfernten weißen Konus des Vulkans hinüber. Sorotschinski weckte Galzew, sie machten sich etwas weiter abseits zu schaffen und unterhielten sich leise.
»Ich übernehme die Suppe«, sagte Sorotschinski. »Du, Witja, machst dich ans Hauptgericht.«
»Irgendwo muss noch eine Hühnerkonserve stecken«, meinte Galzew mit von Schlaf belegter Stimme.
»Hier«, sagte Sorotschinski. »Die Archäologen sind übrigens lustige Burschen. Der eine hat einen solchen Bart, dass kein Stückchen Haut mehr zu sehen ist. Sie graben nach japanischen Befestigungen aus den Vierzigerjahren des vorvorigen Jahrhunderts. Hier war nämlich mal eine unterirdische Festung. Der Bärtige hat mir eine Pistolenkugel geschenkt, sieh mal!«
»Fuchtel mir bitte nicht mit diesem rostigen Ding vor der Nase herum«, knurrte Galzew.
Bald roch es appetitlich nach Suppe.
»Ihr Chef«, fuhr Sorotschinski fort, »ist ein tolles
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