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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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gegenüberliegenden Wand machte sich Sorotschinski an den Abstieg.
    »Wo wollen Sie denn hin?«, fragte Sidorow.
    Sorotschinski antwortete schüchtern: »Wir wollten Ihnen helfen, Michail Albertowitsch.«
    »Ich brauche Sie nicht.«
    »Wir dachten nur …« Sorotschinski brach jäh ab.
    An der Wand hinter Sidorow bildete sich plötzlich ein Riss.
    »Vorsicht!«, rief Sorotschinski.
    Sidorow tat einen Schritt zur Seite, stolperte über ein Geschoss und stürzte. Er fiel auf Brust und Gesicht, drehte sich aber sofort auf den Rücken. In dem Augenblick begann die Kuppel zu schwanken und kippte voller Wucht um. Der glühende Rand bohrte sich tief in den schwarzen Grund, und die Erde erbebte. Ein heißer Lufthauch fuhr Sidorow peitschend übers Gesicht …
    Aus dem Krater ragte matt schimmernd die Kuppel; eine weißliche Rauchfahne hing über dem Hügel. Dort schwelte es noch immer, und von Zeit zu Zeit war ein dumpfes Knistern zu hören. Galzew saß mit geröteten Augen da, hatte die Arme um die Knie geschlungen und schaute – wie Sidorow neben ihm – zum Hügel. Die Hände des Biologen waren mit Binden umwickelt, und seine linke Gesichtshälfte war schwarz von Schmutz und Ruß; obwohl die Sonne schon hoch am Himmel stand, hatte er sich noch immer nicht gewaschen. Sorotschinski war – die Wildlederjacke über dem Kopf – am Lagerfeuer eingeschlafen.
    Sidorow streckte sich auf dem Rücken aus und verschränkte die Arme im Nacken; er wollte nicht länger auf diesen Hügel starren, auf die weiße Rauchfahne und das grimmige Gesicht Galzews. Viel besser war es, einfach so dazuliegen und in den tiefblauen Himmel zu schauen. In solch einen Himmel konnte er stundenlang blicken. Das war ihm schon so gegangen, als er noch Landeflieger gewesen und über dem Nordpol der Wladislawa abgesprungen war, als er die Belinda erstürmt und mutterseelenallein in einer zerschellten Landefähre auf dem Transpluto gesessen hatte. Dort hatte es überhaupt keinen Himmel gegeben, nur schwarze, sternenübersäte Leere, auf der sich ein strahlend heller Stern besonders abzeichnete – die Sonne. Damals, so schien es ihm wenigstens, hätte er sein Leben gegeben, nur um noch einmal diesen blauen Himmel zu sehen. Auf der Erde verlor sich dieses Gefühl schnell wieder, aber immer, wenn er über Jahre hinweg den blauen Himmel nicht zu Gesicht bekam und damit rechnen musste, dass jede Sekunde seine letzte war, erging es ihm so. Es gehörte sich für einen Landeflieger allerdings nicht, an den Tod zu denken. Dafür musste er umso mehr mit einer möglichen Niederlage rechnen – obwohl Gorbowski einmal gesagt hatte, der Tod sei schlimmer als jede noch so verheerende Niederlage. Diese sei immer nur eine Zufälligkeit, die man überwinden konnte, überwinden musste. Nur Tote konnten nicht mehr kämpfen. Doch halt!, das stimmte nicht. Auch Tote konnten kämpfen und einem, wie gerade geschehen, sogar eine Niederlage beibringen.
    Sidorow richtete sich auf und sah zu Galzew hinüber. Er hätte ihn gern nach seiner Meinung gefragt, schließlich war er gleichfalls Landeflieger. Wenn auch ein schlechter, dachte er. Gewiss glaubte Galzew, es gäbe nichts Schlimmeres als eine Niederlage.
    Galzew wandte langsam den Kopf und sagte dann plötzlich: »Sie haben rote Augen, Michail Albertowitsch.«
    »Sie auch«, erwiderte Sidorow.
    Es war Zeit, Verbindung zu Fisher aufzunehmen und ihm über den Vorfall zu berichten. Sidorow erhob sich und ging mit schweren Schritten zum Aerobus. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und schaute in den Himmel: Er war so tiefblau und wunderschön, dass man stundenlang hinaufblicken konnte. Zum Himmel, unter den man immer wieder zurückkehrte …

DER FERNE REGENBOGEN

1
    Tanjas Hand, warm und ein wenig rau, lag auf seinen Augen, und alles andere war ihm gleichgültig. Er roch den bittersalzigen Geruch des Staubs, hörte, wie die Steppenvögel schlaftrunken krächzten, und das trockene Gras stach und kitzelte an seinem Nacken. Er lag hart und unbequem, sein Hals juckte unerträglich, doch er rührte sich nicht, sondern lauschte nur Tanjas gleichmäßigem Atem. Er lächelte und freute sich über die Dunkelheit, die sein – wie er annahm – überaus dummes und sehr zufriedenes Lächeln verbarg.
    Da schrillte, unpassend und zur unrechten Zeit, oben im Turm das Rufsignal auf. Sollte es nur. Es wäre nicht das erste Mal. An diesem Abend kamen alle Rufsignale unpassend und zur unrechten Zeit.
    »Robby«, flüsterte Tanja. »Hörst

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