Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
zugrunde gegangen, wo sie doch unsterblich sind?«, wollte Hans wissen.
»Sie haben sich selbst vernichtet«, erklärte Gorbowski. »Es ist offenbar kein Zuckerschlecken, eine Mischung von Mensch und Laboratorium zu sein.«
Hinter den Fahrzeugen kam ein Mann hervor, der, krebsrot im Gesicht vor Anstrengung, ein Ulmotron auf der Schulter schleppte. Banin sprang von seiner Kiste und rannte los, um ihm beim Tragen behilflich zu sein. Gorbowski beobachtete nachdenklich, wie sie den Apparat im Hubschrauber verstauten. Der Mann mit dem roten Gesicht schimpfte: »Nicht genug, dass sie einem statt drei Ulmotronen bloß eins geben, nicht genug auch, dass man bei dieser Sache einen halben Tag vergeudet, man muss obendrein noch beweisen, dass man einen Anspruch auf das Ding hat! Es wird einem einfach nicht geglaubt! Haben Sie da noch Töne? Nicht geglaubt! Da kann einem doch der Hut hochgehen …«
Als Banin zurückkehrte, sagte Alpa gerade: »Das ist doch alles reichlich fantastisch. Wenn Sie die weißen Flecke auf der Landkarte der Wissenschaft interessieren, brauchen Sie Ihre Aufmerksamkeit nur auf die Welle zu lenken. Jede Woche erfolgt der reguläre Nulltransport. Und jeder dieser Versuche bewirkt eine Welle, eine mehr oder weniger starke Eruption. Doch mit ihr befasst man sich höchst dilettantisch. Wenn es da mal bloß nicht zu einer zweiten Massachusetts-Maschine kommt, die sich verselbstständigt. Da gäbe es dann allerdings keinen Knopf zum Abschalten. Kamillo – kennen Sie Kamillo? –, der sieht in der Welle ein Phänomen, das den ganzen Planeten betrifft, doch seine Argumente sind leider schwer zu begreifen. Eine Zusammenarbeit mit ihm ist ziemlich schwierig.«
»Übrigens«, sagte Hans, »wissen Sie, was Kamillo über unsere Zukunft sagt? Er glaubt, dass die heutige Begeisterung für die Wissenschaft gewissermaßen ein Zeichen der Dankbarkeit ist für all den Überfluss – eine Art Rudiment aus jener Zeit, als die Fähigkeit zum logischen Denken noch die einzige Hoffnung der Menschheit war. Kamillo sagt: ›Die Menschheit steht kurz vor ihrer Spaltung in Emotiolisten und Logiker.‹ Offenbar meint er damit die Menschen der Kunst und der Wissenschaft. ›Sie entfremden sich voneinander, verstehen einander nicht und brauchen einander nicht mehr. Man wird entweder als Emotiolist oder als Logiker geboren; das liegt in der Natur des Menschen. Irgendwann wird sich die Menschheit in zwei Gesellschaften spalten, die einander so fremd sind wie wir den Leonidanern …‹«
»Aber nein«, begann Banin. »Das ist völliger Quatsch. Was für eine Spaltung? Wohin gehört denn dann der Durchschnittsmensch? Mag ja sein, dass Pagawa vor Surds neuem Bild steht wie der Ochs vorm Berg, während Surd sich fragt, warum es so jemanden wie Pagawa überhaupt gibt. Keine Frage, da steht ein Logiker einem Emotiolisten gegenüber. Aber wer bin ich? Richtig, ein Wissenschaftler. Ja, drei Viertel meiner Zeit und meiner Nerven gehören der Wissenschaft. Aber ohne Kunst kann ich auch nicht leben! Bei irgendwem hier läuft doch gerade dieses Wiedergabegerät. Das finde ich wunderbar. Natürlich hielte ich es auch ohne Musik aus, aber mit geht es mir viel besser. Soll ich mich jetzt etwa spalten?«
»Genauso denke ich auch«, stimmte ihm Hans zu. »Aber Kamillo behauptet Folgendes: Erstens, das Genie unserer Zeit wird der Durchschnittsmensch der Zukunft sein, und zweitens gibt es nicht einen, sondern zwei Durchschnittsmenschen: den Emotiolisten und den Logiker. Zumindest habe ich ihn so verstanden.«
»Respekt, mein Lieber«, sagte Banin. »Ich finde, wenn man Kamillo zuhört, versteht man überhaupt nichts.«
»Vielleicht ist das ja wieder mal eines von Kamillos geliebten Paradoxa?«, warf Gorbowski nachdenklich ein. »Wobei diese Überlegungen für ein Paradoxon eigentlich zu geradlinig sind.«
»Bitte, Leonid Andrejewitsch«, sagte Hans heiter. »Bedenken Sie, dass das nicht Kamillos Überlegungen sind, sondern meine. Ich sonnte mich gestern am Strand, als plötzlich Kamillo auftauchte – Sie kennen ja seine Art, nicht wahr? – und laut zu denken begann, wobei er vor allem zu den Wellen des Meeres sprach. Ich lag nur da und hörte zu, und irgendwann bin ich eingeschlafen.«
Alle lachten.
»Kamillo bei einer seiner Übungen«, mutmaßte Gorbowski. »Ich kann mir ungefähr vorstellen, wozu ihm diese Spaltung dient. Offenbar treibt ihn die Frage der Evolution des Menschen um, also konstruiert er verschiedene Modelle. In der Synthese
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