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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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mir ein vollständiger Minz begegnet. Selbst die Briefe aus der Emigration fehlten nicht.
    »Was habe ich zu bezahlen?«, rief ich.
    Die Mädchen starrten mich wieder an. Der Fahrer kaute an seinen Lippen und setzte sich gerade hin.
    »Wofür?«, fragte er ein wenig heiser.
    »Sind Sie hier der Chef?«, wollte ich wissen. Er stand auf und trat zu mir. »Sie wünschen?«
    »Ich möchte diesen Minz. Was kostet er?«
    Die Mädchen kicherten.
    Schweigend sah er mich an, dann nahm er die Brille ab. »Sie sind Ausländer?«
    »Ja, ich bin Tourist.«
    »Das ist der vollständige Minz.«
    »Das sehe ich«, sagte ich. »Ich war bass erstaunt, als ich ihn sah.«
    »Ich auch«, sagte er. »Als ich sah, was Sie brauchen.«
    »Er ist ein Tourist«, piepste das eine Mädchen. »Er versteht das nicht.«
    »Das ist alles kostenlos«, erklärte der Fahrer. »Persönlicher Fonds. Zur Sicherung persönlicher Bedürfnisse.«
    Ich schaute nach dem Regal mit den Büchern.
    »Haben Sie ›Änderung eines Traums‹ gesehen?«, fragte der Fahrer.
    »Ja, danke, das habe ich schon.«
    »Nach Strogow frage ich erst gar nicht. Und die ›Geschichte des Faschismus‹?«
    »Vorzügliche Ausgabe.«
    Die Mädchen kicherten wieder.
    Der Fahrer riss die Augen auf. »Haut ab, ihr Rotznasen!«, bellte er.
    Die Mädchen schreckten zurück. Dann griff sich die eine mit diebischer Geste mehrere Pakete mit Blusen, sie rannten auf die andere Straßenseite und beobachteten uns von dort.
    »Sexy!«, sagte der Fahrer. Seine dünnen Lippen zuckten. »Man sollte dieses ganze Vorhaben abblasen. Wo wohnen Sie?«
    »Zweite Vorortstraße.«
    »Ach, mitten im Sumpf. Kommen Sie, ich fahre Ihnen alles nach Hause. Ich habe den vollständigen Stschedrin im Wagen; ich lege ihn gar nicht erst aus. Die gesamte Bibliothek der Klassik, die gesamte ›Goldene Bibliothek‹, die vollständigen ›Schätze des philosophischen Denkens‹ …«
    »Einschließlich Doktor Opir?«
    »Hundsgedärm«, sagte der Fahrer. »Lustmolch. Amöbe. Pfui. Kennen Sie Slij?«
    »Wenig«, sagte ich. »Ich mag ihn nicht. Neoindividualismus, würde Doktor Opir sagen.«
    »Doktor Opir ist ein Stinker«, sagte der Fahrer. »Aber Slij ist richtig. Natürlich – Individualismus. Aber zumindest sagt er, was er denkt, und tut, was er sagt. Ich besorge Ihnen Slij. Hören Sie, haben Sie das schon gesehen? Und das?«
    Er schob die Arme bis zu den Ellbogen zwischen die Bücher. Zärtlich streichelte er sie, blätterte darin, und auf seinem Gesicht zeigte sich Rührung. »Und das?«, fragte er. »Das ist mal ein Cervantes, was?«
    Eine nicht mehr junge, doch stattliche Frau trat dazu, wühlte eine Weile zwischen den Konserven und sagte verdrossen: »Wieder kein dänisches Mixed Pickles? Ich hatte Sie doch darum gebeten!«
    »Scheren Sie sich zum Teufel«, sagte der Fahrer zerstreut.
    Die Frau blieb wie angewurzelt stehen; langsam rötete sich ihr Gesicht. »Wie können Sie es wagen?«, zischte sie.
    Der Fahrer sah sie drohend an. »Haben Sie nicht gehört? Sie sollen sich zum Teufel scheren!«
    »Unterstehen Sie sich!«, sagte die Frau. »Ihre Nummer?«
    »Dreiundneunzig«, antwortete der Fahrer. »Dreiundneunzig, klar? Ich pfeif auf Sie alle! Klar? Noch Fragen?«
    »Welch rohes Benehmen!«, sagte die Frau würdevoll. Sie nahm zwei Büchsen mit konservierten Leckereien, blickte auf dem Verkaufstisch suchend umher und riss säuberlich den Umschlag von der Zeitschrift Der kosmische Mensch . »Sie werde ich mir merken, Nummer dreiundneunzig! Die Zeiten haben sich geändert, sollten Sie wissen!« Sie wickelte die Büchsen in den Umschlag. »Wir sehen uns in der Stadtverwaltung wieder!«
    Ich packte den Fahrer am Arm. Der steinharte Muskel wurde unter meinen Fingern schlaff.
    »Grobian«, zischte die Dame von oben herab und ging.
    Sie schritt das Trottoir entlang, den schönen Kopf mit der hohen zylindrischen Frisur stolz erhoben. An der Ecke blieb sie stehen, öffnete die eine Büchse, zog mit eleganten Fingern rosa Scheibchen heraus und aß sie vorsichtig. Ich ließ den Arm des Fahrers los.
    »Abknallen müsste man sie alle«, sagte er plötzlich. »Erwürgen, anstatt Bücher an sie zu verteilen.« Gequält blickte er mich an. »Soll ich Ihnen jetzt die Bücher bringen?«
    »Nein, nein«, sagte ich. »Wo soll ich hin damit?«
    »Dann mach, dass du verschwindest«, blaffte der Fahrer. »Hast du den Minz? Also geh und wickle deine dreckigen Unterhosen rein.«
    Er kletterte in die Kabine. Etwas knackte, und die

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