Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
Vom Netzwerk:
von solchen Fällen gelesen und erinnerte mich, dass mir das Verhalten der Menschen in derartigen Situationen immer ungewöhnlich, ja empörend dumm vorgekommen war. Statt die reizvollen Perspektiven, die sich durch einen glücklichen Zufall vor ihnen auftaten, auszukosten, erschraken sie und hatten nichts Eiligeres zu tun, als zum Alltäglichen, Gewohnten zurückzukehren.Einer dieser Helden beschwor die Leser sogar, sich von jenem Vorhang fernzuhalten, der unsere Welt vom Unergründlichen trennt, und warnte vor geistigem und körperlichem Schaden. Noch wusste ich nicht, welchen Lauf die Ereignisse nehmen würden, und doch war ich bereit, mich Hals über Kopf hineinzustürzen.
    Während ich im Zimmer nach einer Schöpfkelle oder einem Becher suchte, grübelte ich weiter. Diese ängstlichen Leute sind wie Experimentatoren, dachte ich, die zwar hartnäckig und strebsam, aber völlig fantasielos sind und deshalb größte Vorsicht walten lassen. Erhalten sie ein außergewöhnliches Resultat, erschrecken sie und begründen es überstürzt mit einer Unsauberkeit in der Aufgabenstellung. Sie gehen allem Neuen aus dem Weg, weil sie zu sehr am Alten kleben, das sich bequem in den Rahmen der herrschenden Theorie fügt … Ein paar Experimente hatte ich mir schon überlegt: eins mit dem wandelbaren Buch (es lag nach wie vor auf dem Fensterbrett und war jetzt Aldridges »Zuflucht am Nil«), eins mit dem sprechenden Spiegel und eins mit dem Zähnelutschen. Ich hatte einige Fragen an Kater Wassili; auch die Nixe, die in der Eiche lebte, interessierte mich, obwohl ich mich zwischendurch immer wieder fragte, ob ich von ihr nicht doch nur geträumt hatte. Nicht dass ich etwas gegen Nixen gehabt hätte, aber ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie auf Bäume kletterten – obwohl, da waren die Fischschuppen …
    Schließlich fand ich die Schöpfkelle. Sie lag auf dem Kübel, der unter dem Telefon stand; aber da in dem Kübel kein Wasser war, ging ich hinaus zum Brunnen. Die Sonne stand schon ziemlich hoch. Von irgendwoher hörte man Verkehrslärm und die Trillerpfeife eines Milizionärs, und am Himmel knatterte ein Hubschrauber. Ich ging zum Brunnen, entdeckte hocherfreut einen zerbeulten Blecheimer an der Kette und betätigte das Haspelrad. Der Eimer schlug scheppernd gegen die Brunnenwände und verschwand im schwarzen Abgrund. Es plätscherte, und die Kette straffte sich. Während ich weiterdrehte, sah ich mir meinen Moskwitsch an. Er sah müde aus und verstaubt, und an der Frontscheibe klebten die Überreste von Insekten. Ich muss Kühlwasser nachfüllen, dachte ich. Und überhaupt …
    Der Eimer kam mir sehr schwer vor. Als ich ihn auf dem Brunnenrand absetzte, schob sich ein riesiger moosgrüner Hechtkopf aus dem Wasser. Ich wich zurück.
    »Schleppst du mich schon wieder auf den Markt?«, fragte der Hecht in nordrussischem Dialekt. Ich brachte vor Schreck keinen Ton heraus. »Lass mich doch endlich in Ruhe, du unersättliches altes Weib! Wie lange soll das noch so gehen? Kaum hab ich’s mir ein bisschen gemütlich gemacht und bin am Einschlafen, da zieht sie mich schon wieder heraus! Ich bin schließlich nicht mehr der Jüngste, bin sogar älter als du, und meine Kiemen wollen auch nicht mehr so recht.«
    Der sprechende Hecht bot einen recht merkwürdigen Anblick: Wie ein Hecht im Puppentheater klappte er sein mit Zähnen bestücktes Maul auf und zu, ohne dass die Bewegungen zum Gesprochenen passten. Und den letzten Satz zischte er durch den krampfhaft zusammengepressten Kiefer.
    »Und auch die Luft schadet meiner Gesundheit«, fuhr er fort. »Was fängst du an, wenn ich eines Tages nicht mehr bin? Du mit deinem dummen Altersgeiz … Da sparst du nun und sparst und weißt selbst nicht, wofür. Weißt du nicht mehr, wie du bei der letzten Währungsreform reingefallen bist? Jawohl! Und was war mit den Katharinenrubeln? Deine Truhen hast du damit beklebt! Und mit den Kerenski-Scheinen? Mit denen hast du den Ofen geheizt …«
    »Wissen Sie …«, sagte ich, als ich wieder klar denken konnte.
    »Oh, wer ist da?«, fragte der Hecht erschrocken.
    »Ich … Ich bin zufällig hier. Ich wollte mich ein bisschen waschen.«
    »Waschen! Und ich dachte schon, es wäre wieder die Alte. Mit meinen Augen ist nicht mehr viel los. Wie’s heißt, ist in der Luft auch der Brechungskoeffizient ganz anders. Ich habe mir mal eine Luftbrille verschreiben lassen, hab sie aber verlegt und kann sie nicht wiederfinden. Und wer bist

Weitere Kostenlose Bücher