Gesammelte Werke 6
gebrauchten wissenschaftlichen Begriffe beruhigen ihn.
IWAN DAWYDOWITSCH : Nun will es das Unglück, dass es nur fünf Teelöffel voll gibt, also kann es auch nur fünf Unsterbliche geben. Mit allen daraus resultierenden Folgen. Leuchtet Ihnen das ein? Oder nicht?
SNEGIRJOW : Einen sechsten Mann können Sie also nicht gebrauchen?
IWAN DAWYDOWITSCH : Sie sagen es.
SNEGIRJOW lebhaft: Aber ich erhebe doch gar keinen Anspruch.
IWAN DAWYDOWITSCH : Sie belieben, sich also für den Tod zu entscheiden?
SNEGIRJOW : Wieso für den Tod? Ich habe doch mit dem Gan zen gar nichts zu tun! Jeder geht seiner Wege. Bisher sind wir doch auch ganz gut ohne einander ausgekommen!
IWAN DAWYDOWITSCH : Wie ich sehe, ist Ihnen die Situation noch immer nicht klar. Das Elixier reicht nur für fünf. Muss ich Ihnen erst erklären, dass sich viel mehr Anwärter dafür fänden? Wenn die Sache publik wird, nimmt man uns die Quelle weg, und wir hören auf, unsterblich zu sein. Verstehen Sie? Wir wären alle längst tot, wenn wir’s nicht immer wieder – über Jahrhunderte hinweg! – verstanden hätten, unser Geheimnis zu wahren. Sie haben davon erfahren, und nun gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder Sie werden einer von uns, oder wir sind gezwungen, Sie – Verzeihung! – zu liquidieren.
SNEGIRJOW : Was für ein Unsinn! Glauben Sie etwa, ich hätte nichts Besseres zu tun, als Ihr Geheimnis auszuposaunen? Halten Sie mich für einen Vollidioten? Man würde mich doch sofort ins Irrenhaus sperren!
IWAN DAWYDOWITSCH : Vielleicht. Ja, sogar höchstwahrscheinlich. Aber Sie müssen einsehen, dass dennoch eine Woche später Hunderte von Dummköpfen mit Hacke und Spaten im Brennnesselgrund herumklettern würden. Die Menschen sind so leichtgläubig, sie alle warten auf ein Wunder. Nein, das Risiko können wir nicht eingehen. Wir haben nämlich unsere Erfahrungen. Wir können erst dann beruhigt schlafen, wenn nur fünf Personen im Besitz des Geheimnisses sind.
SNEGIRJOW : Aber ich sage es doch nicht weiter. Warum sollte ich? Überlegen Sie doch selbst! So glauben Sie mir doch um Gottes willen. Ich schwöre es Ihnen im Namen meiner Tochter!
IWAN DAWYDOWITSCH : Nicht nötig. Das ist sinnlos.
SNEGIRJOW : Aber Sie müssen doch einsehen: Ich habe eine Tochter, ich habe Enkel – wie könnte ich unter diesen Umständen Ihr Geheimnis ausplaudern? Was für ein Interesse sollte ich daran haben?
IWAN DAWYDOWITSCH : Sie wissen nur zu gut – schließlich sind Sie Schriftsteller –, dass die Menschen immer das genaue Gegenteil von dem tun, was in ihrem Interesse liegt.
PAWEL PAWLOWITSCH kommt mit einem Tablett ins Zimmer, auf dem sechs Kaffeetassen dampfen: Der Kaffee ist da! Trinken wir ein Tässchen Kaffee, und alle Probleme lösen sich von selbst! Bitte! Zu Natalja: Bitte, mein Kind. Rittmeister! Bitte, Magister. Diese Tasse sagt Ihnen zu? Bitte sehr! Felix Alexandrowitsch! Wie ich sehe, haben wir Sie ganz durcheinandergebracht. Trinken Sie einen schwarzen Muntermacher, und beruhigen Sie sich. Bassawrjuk, mein Freund und alter Streithammel, was verkriechst du dich in der Ecke? Ein Tässchen Kaffee, und die Welt ist wieder in Ordnung!
Als alle versorgt sind, kehrt er mit der übrig gebliebenen Tasse zum Zeitungstischchen zurück und lässt sich äußerst zufrieden in seinem Sessel nieder. Gierig, sich den Mund verbrennend, schlürft Snegirjow seinen Kaffee, stellt die leere Tasse auf dem Tisch ab und sieht sich um.
Nur Pawel Pawlowitsch nimmt mit sichtlichem Genuss den »schwarzen Muntermacher« zu sich. Iwan Dawydowitsch dagegen hebt seine Tasse an die Lippen, trinkt aber nicht, sondern starrt Snegirjow erwartungsvoll an. Auch Natalja zögert. Sie hält ihre Tasse in der Hand und beobachtet Iwan Dawydowitsch. Der Rittmeister sucht einen Platz zum Hinsetzen. Kurdjukow in seiner Ecke will gerade einen Schluck nehmen, als er plötzlich einen Blick von Natalja auffängt und erstarrt.
Iwan Dawydowitsch stellt seine Tasse vorsichtig auf den Tisch und schiebt sie mit dem Zeigefinger von sich. Da schleu dert Kurdjukow seine Tasse mit einer lauten Verwünschung gegen die Bücherwand.
SNEGIRJOW fährt überrascht zusammen: Du Rindvieh! Was fällt dir ein?
PAWEL PAWLOWITSCH kühl: Ist etwa eine Fliege hineingeraten? In Ihrer Küche, Felix Alexandrowitsch, wimmelt es nur so von Fliegen.
IWAN DAWYDOWITSCH : Fürst! Aber ich hatte Sie doch gebeten …! Was machen wir denn jetzt mit der Leiche?
PAWEL PAWLOWITSCH spitzbübisch: Mit der Leiche? Mit was
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