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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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in der Sechs war ein kleiner Kratzer. Vielleicht wäre mir auch jetzt noch nichts aufgefallen, hätte ich nicht wieder dieses schon bekannte Gefühl gehabt, gleichzeitig auf dem Prospekt des Friedens zu stehen und auf dem Kanapee zu sitzen (und dabei stumpfsinnig aufs Garderobenbrett zu starren). Und wieder – genau wie beim letzten Mal – verschwand dieses Gefühl, sobald ich den Kopf schüttelte.
    Ich ging langsam weiter, ließ zerstreut das Fünfkopekenstück in meiner Hand hüpfen (es landete jedes Mal mit der Fünf nach oben) und versuchte mich zu konzentrieren. Dann erblickte ich den Lebensmittelladen, in dem ich am Morgen vor den Kindern Zuflucht gesucht hatte, und ging hinein. Den Fünfer zwischen zwei Fingern, steuerte ich den Stand an, an dem Säfte und Sodawasser ausgeschenkt wurden, und trank lustlos ein Glas Wasser ohne Sirup. Dann trat ich, das Wechselgeld in der Faust, beiseite und griff in meine Tasche.
    Das war so ein Fall, bei dem man nicht schockiert ist – es hätte mich viel mehr gewundert, wenn der Fünfer nicht in meiner Tasche gewesen wäre. Aber er war dort – feucht, aus dem Jahre 1961, mit einer zerkratzten Sechs. Da versetzte mir jemand einen Stoß und fragte, ob ich schliefe. Wie sich herausstellte, war ich in die Kassenschlange geraten. Nein, gab ich zurück, ich schlafe nicht, und ließ mir einen Bon für drei Streichholzschachteln ausstellen. Während ich für die Streichhölzer anstand, stellte ich fest, dass der Fünfer wieder in meiner Tasche war. Mich wunderte das nicht weiter. Ich nahm die drei Schachteln entgegen, verließ das Geschäft, kehrte auf den Platz zurück und begann zu experimentieren.
    Das Experiment nahm etwa eine Stunde in Anspruch. In dieser Zeit drehte ich zehn Runden um den Platz, füllte meinen Magen mit Wasser und meine Taschen mit Streichholzschachteln und Zeitungen, machte mich mit sämtlichen Verkäufern und Verkäuferinnen bekannt und gelangte zu einer Reihe interessanter Schlussfolgerungen: Zahlte man mit dem Fünfer, kehrte er zu einem zurück. Warf man ihn dagegen fort, ließ ihn fallen oder verlor ihn, blieb er liegen, wo er war. Der Fünfer kehrte immer genau in dem Moment in die Tasche zurück, in dem das Wechselgeld aus den Händen des Verkäufers in die Hände des Käufers überging. Hielt man dabei die Hand in der einen Tasche, so wanderte der Fünfer in die andere. In eine Tasche mit zugezogenem Reißverschluss gelangte er nie. Behielt man beide Hände in den Taschen und klemmte sich das Wechselgeld unter den Arm, so tauchte der Fünfer an einer beliebigen Stelle am Körper auf (in meinem Fall im Schuh). Das Verschwinden des Fünfers vom Kleingeldteller auf dem Ladentisch fiel niemals auf: Er verlor sich unter den anderen Münzen, und in dem Moment, in dem er in die Tasche hinüberwechselte, war auf dem Teller keinerlei Bewegung zu sehen.
    Ich hatte es also mit einem sogenannten nicht wechselbaren Fünfkopekenstück zu tun. Dabei interessierte mich weniger die Tatsache an sich als die fantastische Möglichkeit der außerräumlichen Verlagerung eines materiellen Körpers. Mir war völlig klar, dass der geheimnisvolle Übergang des Geldstücks vom Verkäufer zum Käufer nur einenEinzelfall jenes berühmten Nulltransports darstellte, den Science-Fic tion-Liebhaber auch unter Begriffen wie »Hyperdurchgang«, »repagularer Sprung« oder »Tarantoga-Phänomen« kennen. Damit taten sich überwältigende Perspektiven auf.
    Mir standen keinerlei Instrumente zur Verfügung. Ein gewöhnliches Labor-Minimumthermometer wäre mir schon eine Hilfe gewesen, aber nicht einmal das besaß ich. Ich musste mich also auf rein visuelle subjektive Beobachtungen beschränken. Vor meiner letzten Runde um den Platz stellte ich mir folgende Aufgabe: Lege das Geldstück neben den Kleingeldteller, hindere den Verkäufer nach Möglichkeit daran, es vor der Herausgabe des Wechselgeldes mit den übrigen Münzen zu vermischen, beobachte die räumliche Verlagerung des Fünfers und versuche dabei wenigstens qualitativ, die Veränderung der Lufttemperatur in der Umgebung der mutmaßlichen Durchgangsroute zu bestimmen. Das Experiment wurde jedoch gleich zu Beginn jäh unterbunden.
    Neben der Verkäuferin Manja erwartete mich bereits der blutjunge Milizionär mit den Rangabzeichen eines Sergeanten.
    »Soso«, sagte er in dienstlichem Ton.
    Nichts Gutes ahnend, blickte ich ihn fragend an.
    »Weisen Sie sich bitte aus, mein Herr«, forderte der Milizionär, wobei er grüßte und an

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