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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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kommt auch noch ein schwarzer, nasser Onkel daher und erklärt den Kindern ohne Umschweife, dass ihre Väter hirnlose Säufer und ihre Mütter Schlampen und dumme Gänse sind. Selbst wenn es zuträfe, wäre es eine Schweinerei, so etwas macht man nicht. Es geht sie doch, verdammt noch mal, überhaupt nichts an, und niemand hat sie gebeten, die Kinder über ihre Eltern aufzuklären. Das ist doch patho logisch – falls sie überhaupt jemanden aufklären wollen. Und wenn’s noch schlimmer ist? Da fängt so ein Knirps mit rosigen Lippen plötzlich an, vom Fortschritt zu faseln und von furchtbaren, grausamen Dingen, ohne überhaupt zu wissen, wovon er spricht. So gewöhnt er sich aber schon von klein auf an intellektuelle Grausamkeit, die schrecklichste Art der Grausamkeit, die man sich denken kann. Die Nässlinge aber stehen, einen schwarzen Lappen auf der schup pigen Visage, hinter der Bühne und ziehen die Fäden. Es gibt gar keine neue Generation, sondern nur dieses schmutzige alte Marionettenspiel, und ich war in zweifacher Hinsicht ein Esel, als ich mich heute auf der Bühne so beeindrucken ließ … Was für ein mieses Unterfangen ist doch unsere Zivilisation …
    »… wer Augen hat, der schaue«, sagte Pavor. »Ins Leprosorium lassen sie uns nicht rein. Stacheldraht, Soldaten – nichts zu machen. Aber manches sieht man auch hier, in der Stadt. Ich habe beobachtet, wie Nässlinge mit kleinen Jungen sprachen, und wie diese sich dabei verhielten – als könnten sie kein Wässerchen trüben –, aber fragt unsereins so ein Bürschlein nach dem Weg, straft er einen mit Verachtung …«
    Ins Leprosorium lassen sie uns nicht rein, dachte Viktor. Stacheldraht … Die Nässlinge dagegen spazieren frei in der Stadt herum. Aber Golem hat sich das nicht ausgedacht … Dieser Schweinehund, dachte er, der Vater der Nation! Er ist ein Halunke, hat also auch hier seine Finger im Spiel. Der beste Freund der Kinder – das würde ihm ähnlich sehen. Wissen Sie, Herr Präsident, an Ihrer Stelle würde ich versuchen, mir mal was Neues auszudenken. Ihre Masche verrät Sie. Hat man’s mit Stacheldraht, Soldaten und Passierscheinen zu tun, ist der Herr Präsident nicht weit, und es kann sich nur um eine Gemeinheit handeln …
    »Wieso eigentlich Stacheldraht?«, fragte Viktor.
    »Woher soll ich das wissen?«, versetzte Pavor. »Früher gab es da jedenfalls keinen.«
    »Also waren Sie doch schon mal dort?«
    »Wieso denn? Nein. Aber ich bin hier nicht der erste Hygieneinspektor. Und es geht ja auch nicht um den Stacheldraht. Stacheldraht gibt’s überall. Die Kinder lassen sie ungehindert ein, und die Nässlinge lassen sie ungehindert raus, unsereins aber nicht – das ist das Erstaunliche.«
    Nein, dann hat es mit dem Herrn Präsidenten nichts zu tun, dachte Viktor. Der Präsident und die Bücher Sursmansors und Banews – das passt nicht zusammen. Und dann diese zerstörerische Ideologie. Wenn ich so etwas schreiben wollte, würden sie mich kreuzigen. Rätselhaft. Da ist was faul. Ich werde mal Irma fragen, dachte er. Ich werde sie einfach fragen, dann werden wir ja sehen … Übrigens müsste auch Diana Bescheid wissen.
    »Hören Sie mir nicht zu?«, fragte Pavor.
    »Verzeihung, ich war ins Grübeln gekommen.«
    »Ich sagte, dass es mich nicht wundern würde, wenn die Stadt Maßnahmen ergriffe. Und zwar – wie es sich für eine Stadt gehört – drakonische.«
    »Mich würde es auch nicht wundern«, murmelte Viktor. »Es würde mich nicht einmal wundern, wenn ich selbst anfinge Maßnahmen zu ergreifen.«
    Pavor stand auf und ging ans Fenster.
    »Ist das ein Wetter«, sagte er bedrückt. »Man sollte zusehen, dass man von hier wegkommt. Geben Sie mir nun ein Buch oder nicht?«
    »Ich habe keine Bücher. Alles, was ich mitgenommen habe, ist im Sanatorium. Hören Sie, wozu brauchen die Nässlinge unsere Kinder?«
    Pavor zuckte die Achseln.
    »Es sind kranke Menschen«, erwiderte er. »Woher sollen wir das wissen? Wir beide sind ja gesund.«
    Da klopfte es an der Tür, und Golem kam nass und schwer fällig herein.
    »Fragen wir Golem«, schlug Pavor vor. »Golem, wozu brau chen die Nässlinge unsere Kinder?«
    »Ihre Kinder?«, wunderte sich Golem, während er das Etikett auf der Ginflasche studierte. »Haben Sie denn Kinder, Pavor?«
    »Pavor behauptet, dass Ihre Nässlinge die Kinder gegen ihre Eltern aufhetzen«, erklärte Viktor. »Was wissen Sie darüber, Golem?«
    »Hm«, überlegte Golem. »Wo finde ich ein sauberes Glas?

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