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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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Wirklich lieben können sich heute nur noch ältere Paare, denen es gelungen ist, ein Vierteljahrhundert miteinander durchzuhalten: Macht und Pflichten gütlich zu teilen, die Wohnungsfrage zu überstehen und bei den vielen kleinen, zersetzenden Ärgernissen nicht zu verrohen. So wie Walja Demtschenko und seine Sonetschka. Aber so eine Art von Liebe zu preisen ist bei uns nicht üblich. Und das Gott sei Dank. Preisen sollte man eigentlich überhaupt nichts. Das kann man Kostja Kudinow überlassen. Oder dem Allunionsdrops …
    »Aber das ist alles Philosophie! Wäre es jetzt nicht Zeit für die Arbeit?«, sagte ich laut.
    Ich begann abzuwaschen. Ich ertrage es nicht, wenn auch nur ein schmutziger Teller in meiner Spüle liegt. Sie muss leer und sauber sein, damit ich ordentlich arbeiten kann. Besonders, wenn ich an Drehbüchern oder Artikeln sitze. Ich schreibe gerne Drehbücher. Von allen Arten der literarischen Lohnarbeit mag ich Übersetzungen und Drehbücher am liebsten. Vielleicht, weil ich bei beidem nicht die ganze Verantwortung trage.
    Denn trotz allem ist der Gedanke, dass für den künftigen Film letztlich der Regisseur geradestehen muss, angenehm. In der Regel handelt es sich um einen jungen, energischen Menschen, der sehr genau weiß, dass der Film seine eigene Sprache hat und dass im Kino nicht die Worte zählen, die ich schreibe, sondern die Bilder, die er findet. Und wenn irgendetwas nicht ganz gelingt, winkt er ab und sagt unbekümmert: »Ach, das verbuchen wir unter Weltanschauung!« Und was seinen anderen Spruch anbelangt – »Nie im eigenen Lande drehen« –, na, dann soll er mal versuchen, den Panzerangriff irgendwo auf den Champs Elysées zu filmen! Und letzten Endes wird er den Film hinbekommen. Es wird natürlich kein Eisenstein oder Tarkowski sein, aber er wird seine Zuschauer finden, und auch ich werde ihn mir aufmerksam ansehen, weil es mich tatsächlich interessiert, wie mein Panzerangriff umgesetzt worden ist.
    (Ich bin ein einfacher Mensch; ich mag es, wenn im Kino – und nur dort! – ein paar Sturmbannführer der SS herumlaufen, möglichst aus allen Arten von Schusswaffen gefeuert wird und ein prrrächtiger Panzerangriff stattfindet, am liebs ten als Massenszene … Was Filme anbelangt, ist mein Geschmack äußerst primitiv; Walja Demtschenko bezeichnet ihn gar als infantilen Militarismus.)
    Ich setzte mich an die Maschine und schrieb, fast ohne Unterbrechung, mehr als zwei Stunden. Bis wieder das Telefon schrillte.
    Die Sonne brannte längst ins Zimmer, mir war heiß, und ich fühlte mich wie leergepumpt. So sprach ich nicht in die Sprechmuschel – ich bellte.
    Am anderen Ende der Leitung meldete sich unser Fjodor Michejitsch, und da mir als Japanologen die Konfuzianischen Prinzipien hoch und heilig sind, nahm ich meinen Ton sofort zurück.
    Gott sei Dank fragte Micheijtsch nicht nach der Bannaja. Er erkundigte sich, ob ich über den Konflikt zwischen Oleg Oreschin und Semjon Kolesnitschenko Bescheid wüsste. Ich brauchte einige Sekunden, um umzuschalten, dann sagte ich: Ja, ich weiß von dem Konflikt, es gab im vergangenen Monat einen Zwischenfall in der Aufnahmekommission. Nun teilte Michejitsch mir mit, Oreschin habe beim Sekretariat Beschwerde über Kolesnitschenko eingereicht, und ihn, Michejitsch, interessiere meine, Sorokins, Meinung zu diesem Konflikt.
    »Oreschin ist ein Dummkopf und Intrigant«, platzte ich heraus; ich konnte mich nicht beherrschen und vergaß schon zum wiederholten Male meinen festen Entschluss, mich nicht einzumischen, in nichts verwickeln zu lassen und keine Partei zu ergreifen.
    Michejitsch belehrte mich streng, das sei keine Antwort, er erwarte von mir nicht Schimpfen und Keifen, sondern eine objektive Meinung zu einer konkreten Sache.
    Aber was für eine objektive Meinung zu dieser Sache konnte ich haben? Oreschin war ein gestriegelter, aalglatter Typ von etwa fünfzig Jahren, der beste Maßanzüge trug und gern seine Manschettenknöpfe, den massiven Ring und seinen Goldzahn blitzen ließ. Bei der vorigen Sitzung der Aufnahmekommission hatte er plötzlich das Wort verlangt und eine Klage gegen den Prosaiker Semjon Kolesnitschenko vorgebracht, weil dieser böswillig ein Plagiat veröffentlicht habe. Von wem? Natürlich von ihm, Oleg Oreschin, dem Fabeldichter, Mitglied der Aufnahmekommission und Sonderpreisträger der Zeitschrift Der Werkzeugmaschinenbauer . Er, Oleg Oreschin, hatte nämlich zwei Jahre zuvor in der erwähnten Zeitschrift die

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