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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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drehte sich der Dicke zu mir um.
    »Eine unerhörte Disziplinlosigkeit«, erklärte er. »Sie müssen sich beschweren … Und Sie sollten sich schämen!«, wandte er sich wieder zu Kornejew um.
    Kornejew stopfte sich das Umoplekt kurzerhand in die Backe. Da fragte der Dünne plötzlich leise und drohend: »Haben Sie etwa die These ausgebaut, Kornejew?«
    Der Hüne grinste verächtlich. »Es existiert überhaupt keine These«, erklärte er. »Was Sie nur immer damit haben! Wenn Sie nicht wollen, dass wir das Kanapee stehlen, müssen Sie uns einen anderen Translator geben.«
    »Wissen Sie, dass es verboten ist, Gegenstände aus dem Magazin zu entfernen?«, drohte der Dünne.
    Kornejew steckte die Hände in die Taschen und starrte zur Decke.
    »Ist Ihnen der Beschluss des Wissenschaftlichen Rates bekannt?«, fragte der Dünne.
    »Mir, Genosse Djomin, ist bekannt, dass der Montag am Samstag anfängt«, knurrte Kornejew.
    »Bitte keine Demagogie«, wehrte der Dünne ab. »Bringen Sie sofort das Kanapee zurück, und lassen Sie sich hier nicht mehr blicken.«
    »Ich denke nicht daran«, widersprach Kornejew. »Das Kanapee bekommen Sie erst zurück, wenn wir unser Experiment beendet haben.«
    Der Dicke fing nun an zu toben. »Was für eine Eigenmächtigkeit!«, kreischte er. »Unverschämtheit!« Der Adler krächzte aufgeregt. Ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen, drehte sich Kornejew um und ging durch die Wand. Der Dicke stürzte ihm mit den Worten hinterher: »Nein, Sie werden das Kanapee zurückbringen!«
    Der Dünne wandte sich indes an mich: »Das ist ein Missverständnis. Wir werden das Nötige veranlassen, damit sich so etwas nicht wiederholt.«
    Er nickte mir zu und wollte ebenfalls durch die Wand.
    »Warten Sie!«, rief ich. »Der Adler! Nehmen Sie den Adler mit! Mitsamt seinem Gestank!«
    Der Dünne, der schon zur Hälfte in der Wand verschwunden war, wandte sich noch einmal um und lockte den Adler mit dem Finger zu sich. Der Adler stieß sich geräuschvoll vom Ofen ab und folgte ihm beflissen. Der Dünne verschwand. Das bläuliche Licht erlosch langsam, und es wurde finster. Ans Fenster klopfte wieder der Regen. Ich schaltete das Licht ein und sah mich um. Im Zimmer war alles unverändert, nur am Ofen sah man noch die tiefen Kratzspuren der Adlerklauen, und die Zimmerdecke war von den geriffelten Abdrücken meiner Schuhsohlen verunziert.
    »Das durchsichtige Fett, das sich in der Kuh befindet«, begann nun der Spiegel mit dem Tiefsinn eines Schwachkopfs, »dient ihr nicht als Nahrung, stellt jedoch nach entsprechender Bearbeitung ein hervorragendes Lebensmittel dar.«
    Ich knipste das Licht aus und legte mich wieder hin. Auf dem Fußboden war es hart und kalt. Morgen macht die Alte dir die Hölle heiß, dachte ich.

6
    »Nein«, sagte er als Antwort auf die hartnäckige Frage in meinem Blick, »ich bin kein Mitglied, ich bin ein Gespenst.«
    »Schon gut, das gibt Ihnen aber doch noch nicht das Recht, im Mermaidklub herumzuspazieren.«
    H. G. Wells
    Am nächsten Morgen war das Kanapee wieder da. Mich wunderte das nicht weiter. Ich dachte nur, dass die Alte nun doch erreicht hatte, was sie wollte: Das Kanapee stand in der einen Ecke, ich aber lag in der anderen. Als ich die Betttücher zusammengefaltet hatte, machte ich Frühsport und dachte darüber nach, dass der Fähigkeit des Menschen zu staunen anscheinend Grenzen gesetzt waren. Und wie es schien, hatte ich diese Grenze überschritten. Ich empfand sogar einen gewissen Überdruss und versuchte mir vorzustellen, was mich jetzt noch erschüttern könnte, aber dazu reichte meine Fantasie nicht. Das missfiel mir, weil ich Menschen, die unfähig sind zu staunen, nicht ausstehen kann. Allerdings war ich weit von dieser »Na und?-Haltung« entfernt. Mein Zustand erinnerte eher an den von Alice im Wunderland: Ich glaubte zu träumen und nahm jedes Wunder als eine Selbstverständlichkeit hin, auf die ich anders reagieren musste, als einfach nur Mund und Augen aufzusperren.
    Ich war noch beim Frühsport, als die Haustür zuknallte und ich Schritte hörte. Jemand hustete, dann fiel etwas schep pernd zu Boden, und eine befehlsgewohnte Stimme rief: »Genossin Gorynytsch!«
    Die Alte meldete sich nicht, und im Flur wurden Stimmen laut.
    »Was ist das für eine Tür? Aha, verstehe. Und das hier?«
    »Das ist der Eingang zum Museum.«
    »Und die? Wieso ist hier alles verschlossen und verriegelt?«
    »Naina Kiewna hält sehr auf Ordnung, Janus Poluektowitsch. Hier ist

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