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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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zufrieden, würde es mir nicht vergessen, und ich könnte hier leben wie Gott in Frankreich. Welcher anständige Schriftsteller kann sich eines solchen Lebens erfreuen? Ich könnte mich hier niederlassen und Pfründe bekommen, beispielsweise bei der Munizipalität Inspektor für die Städtischen Freibäder werden und in aller Ruhe schreiben – über einen guten Menschen, dem es gut geht, weil er seine Arbeit liebt. Auch vor den Wunderkindern könnte ich mich über das Thema auslassen. Man muss sich nur darauf verstehen, alles wegzuwischen: Sie spucken dir ins Gesicht, und du wischst es weg. Anfangs schämst du dich noch, später erstaunt es dich, und ehe du dich’s versiehst, fängst du an, es würdevoll wegzuwischen, empfindest sogar Vergnügen dabei …
    »Wir wollen Sie natürlich in keiner Weise drängen«, ver sicherte der Bürgermeister. »Sie sind ein beschäftigter Mann. Vielleicht in einer Woche, was meinen Sie? Das Material bekommen Sie von uns, wir können Ihnen sogar ein Konzept erarbeiten, ein Schema, wie wir’s gern hätten … Sie setzen dann mit erfahrener Hand ein paar Striche, und schon bekommt die Sache Form. Den Artikel würden drei herausragende Söhne unserer Stadt unterschreiben: das Parlaments mitglied Roßschäper Nant, der berühmte Schriftsteller Banew und der Staatspreisträger Dr. Rem Quadriga …«
    Ja, so läuft das, dachte Viktor. Uns Linken geht solche Beharrlichkeit ja völlig ab. Wir würden uns winden und drehen und wenden, um den Mann bloß nicht zu beleidigen, ihn nur nicht unter Druck zu setzen, damit er nicht auf die Idee kommt, wir hätten eigennützige Absichten … »Herausragende Söhne!« Und der Halunke ist felsenfest davon überzeugt, dass ich den Artikel schreibe und meinen Namen daruntersetze, ja dass mir gar nichts anderes übrigbleibt. Der in Ungnade gefallene Banew wird seine Pfoten heben und sich im Schweiße seines Angesichts einen sorglosen Aufenthalt in der Heimatstadt sichern … Auch über ein Konzept hat er etwas fallenlassen. Wir wissen schon, was für ein Konzept das ist und wie es auszusehen hat, damit der vom Präsidenten bespuckte Banew überhaupt noch gedruckt wird. Tja, Herr Banew … Wenn du weiter Kognak, Mädchen und ma rinierte Neunaugen mit Zwiebeln haben willst, musst du dich vor ihren Karren spannen lassen.
    »Ich werde über Ihren Vorschlag nachdenken«, sagte er lächelnd. »Die Idee ist interessant, aber ihre Verwirklichung wird mein Gewissen belasten. Ihnen ist sicher bekannt, dass wir Schriftsteller ein unbestechliches Völkchen sind und allein nach Vorgabe unseres Gewissens handeln.« Dreist und anzüglich zwinkerte er dem Bürgermeister zu.
    Der Bürgermeister brach in Gelächter aus.
    »Allerdings! ›Das Gewissen der Nation, ein treuer Spiegel‹ und so weiter. Natürlich, ich erinnere mich.« Wieder beugte er sich mit verschwörerischer Miene zu Viktor hinüber. »Ich lade Sie morgen zu mir ein«, röhrte er. »Nur der engste Kreis wird kommen. Ohne Partnerinnen. Abgemacht?«
    Viktor stand auf und sagte: »Ihr Angebot muss ich entschieden zurückweisen. Mich ruft die Pflicht.« Wieder zwinkerte er. »Ich muss ins Sanatorium.«
    Sie schieden beinahe als Freunde – der Schriftsteller Banew war in die Elite der Stadt aufgenommen worden. Und um seine durch diese Ehre geradezu erschütterten Nerven zu beruhigen, verleibte er sich ein großes Glas Kognak ein, sobald sich die Tür hinter dem Herrn Bürgermeister geschlossen hatte. Ich könnte natürlich auch abreisen, dachte Viktor. Ins Ausland lassen sie mich nicht, da will ich auch gar nicht hin. Was soll ich da, es ist doch überall dasselbe. Aber auch in unserem Land gibt es ein Dutzend Schlupfwinkel, in denen man in aller Ruhe abwarten kann. Er malte sich eine sonnige Landschaft mit Buchenwäldern aus, mit betäubenden Düften, schweigsamen Bauern und dem Geruch von Milch und Honig … Misthaufen und Mücken … stinkende Aborte und Langeweile … jeden Abend Langeweile … alte Fernseher und die dörfliche Intelligenz: der Pfaffe, der ein Schürzenjäger ist, und der Lehrer, der Selbstgebrannten säuft. Ja, dort könnte er hinfahren. Aber das wollen sie ja gerade: dass ich abreise, dass ich ihnen aus dem Weg gehe und mich in einer Höhle verkrieche – und zwar freiwillig, ganz ohne Zwang. Mich in die Verbannung zu schicken wäre mühsam, das würde Staub aufwirbeln und Anlass zu Gerede geben. Das ist ja das Dumme: Sie werden froh und glücklich sein, wenn ich abreise, wenn ich

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