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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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sagte der Soldat, und sein Gesicht leuchtete auf. »Ich wundere mich schon … Warten Sie, Sie müssen hier warten.«
    »Vergessen Sie nicht«, warnte Viktor und hob den Zeigefinger, »dass ich möglicherweise verfolgt werde.«
    »Ich bin gleich wieder da«, versprach der Soldat und stapfte, die MPi vor der Brust, zum Schilderhaus.
    Viktor kletterte aus dem Fahrerhaus aufs Trittbrett und blickte zurück. Im Regen war nichts zu erkennen. Da kehrte er hinters Lenkrad zurück und steckte sich eine Zigarette an. Das Ganze war ein Heidenspaß. Überall regnete es – vor ihm, hinter dem Zaun und hinter dem Tor, wo sich schemenhaft ein paar dunkle Bauwerke abzeichneten, die entfernt an Häuser oder Türme erinnerten, aber etwas Genaues war nicht zu erkennen. Ob sie mir wirklich nicht anbieten, das Leprosorium zu besichtigen?, dachte Viktor. Das wäre gemein. Ich kann mich natürlich auch auf Golem berufen, der müsste jetzt hier irgendwo sein. Genau das werde ich auch tun, beschloss er. Soll ich dieses Husarenstück etwa völlig umsonst für sie aufgeführt haben?
    Der Soldat kam wieder aus dem Schilderhaus, im Schlepptau hatte er einen alten Bekannten: den pickligen Nihilisten. Der trug nichts außer Shorts, war guter Dinge und zeigte nicht die leiseste Spur von Weltschmerz. Er überholte den Soldaten, sprang aufs Trittbrett, lugte ins Fahrerhaus, erkannte ihn und lachte erstaunt auf.
    »Guten Tag, Herr Banew! Sind sie das? Das ist gut. Sie haben doch die Bücher, nicht wahr? Und wir warten und warten …«
    »Na, alles in Ordnung?«, wollte der Soldat wissen. Er trat dazu.
    »Ja, das ist unser Wagen.«
    »Dann fahr ihn rein«, sagte der Soldat. »Sie, mein Herr, müssen leider aussteigen und warten.«
    »Ich möchte zu Dr. Golem«, bat Viktor.
    »Ich kann ihn herrufen lassen«, schlug der Soldat vor.
    »Hm«, Viktor sah den Jungen vielsagend an. Der zuckte verlegen mit den Achseln.
    »Sie haben keinen Passierschein«, erklärte er. »Ohne den lässt man hier niemanden durch. Wenn’s nach uns ginge …«
    Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich draußen in den Regen zu stellen. Viktor sprang vom Trittbrett, schlug die Kapuze hoch und sah zu, wie das Tor aufging, der Lastwagen anfuhr und ruckartig hinter den Zaun rollte. Dann schloss sich das Tor. Eine Zeit lang hörte Viktor noch das Heulen des Motors und das Quietschen der Bremsen, dann war es außer dem Rauschen und Plätschern des Regens ringsum still. So ist das also, dachte Viktor. Und ich? Er war enttäuscht. Erst jetzt ging ihm auf, dass er gar nicht uneigennützig den Helden gespielt, sondern gehofft hatte, viel zu sehen und zu begreifen, sozusagen ins Epizentrum vorzudringen. Ach, der Teufel soll euch alle holen, dachte Viktor. Er blickte die Betonstraße hinunter.
    Bis zur Kreuzung waren es sechs Kilometer und von dort bis zur Stadt noch einmal zwanzig. Natürlich konnte er von der Kreuzung aus die zwei Kilometer zum Sanatorium laufen. So ein Undank. Und das bei dem Regen … Doch plötz lich merkte er, dass der Regen nachließ. Na, wenigstens etwas, dachte er.
    »Soll ich Ihnen nun Herrn Golem herausrufen?«, fragte der Soldat.
    »Golem?« Viktor lebte auf. Eigentlich wär’s nicht verkehrt, den alten Zausel durch den Regen zu jagen. Außerdem hatte er einen Wagen. Und einen Flachmann. »Warum nicht, rufen Sie ihn her.«
    »Kann ich machen«, meinte der Soldat. »Aber er wird kaum kommen. Er behauptet bestimmt, dass er beschäftigt ist.«
    »Keine Sorge. Sagen Sie ihm, dass Banew hier ist.«
    »Banew? Schön, ich sag’s ihm, aber er kommt sicher nicht. Gut, ich ruf ihn, macht mir nichts aus, Banew also …« Und der Soldat – ein sympathisches Kerlchen, das Gesicht unter dem Helm voller Sommersprossen – verschwand.
    Viktor steckte sich wieder eine Zigarette an, und im selben Augenblick hörte er ein Motorrad knattern. Aus dem Nebel kam die »Harley« mit Beiwagen gerast, schoss aufs Tor zu und hielt. Auf dem Sitz saß der Polizist mit der verkniffenen Miene, und ein zweiter hockte, bis an die Augen in das Verdeck gehüllt, im Beiwagen. Jetzt geht’s los, dachte Viktor und zog sich die Kapuze tiefer in die Stirn. Aber das half ihm gar nichts. Der Polizist mit der verkniffenen Miene stieg vom Motorrad, ging auf Viktor zu und bellte: »Wo ist der Lastwagen?«
    »Was für ein Lastwagen?«, fragte Viktor erstaunt, um Zeit zu gewinnen.
    »Machen Sie mir nichts vor!«, brüllte der Polizist. »Ich habe Sie gesehen! Ich bringe Sie vors Gericht! Wegen

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