Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
Vom Netzwerk:
die simple Umformung eines Würfels Blei in einen Würfel Gold berechnen konnte; jetzt bedachte er uns nur noch selten mit einer, meist zufälligen, Aufgabe. Dafür konnte ich mich vor Aufträgen seines Lieblingsschülers Vitka Kornejew kaum retten. Auch Roman setzte mir beständig mit schwierigen Fragen aus dem Bereich der irrationalen Metamathematik zu. Cristóbal Junta, der bekanntermaßen immer und überall der Erste sein wollte, hatte es sich angewöhnt, nachts den Rechner an sein zentrales Nervensystem anzuschließen. Am nächsten Tag summte und knackte es dann laut und vernehmlich in seinem Kopf, und der Aldan, völlig aus dem Konzept gebracht, hörte schlagartig auf, im Binärsystem zu rechnen, und kehrte auf mir unbegreifliche Weise zu einem völlig veralteten Hexadezimalsystem zurück; obendrein kam er von der Logik ab, indem er plötzlich das Eindeutigkeitsprinzip negierte. Fjodor Simeonowitsch Kiwrin dagegen amüsierte sich mit meinem Rechner wie ein Kind mit seinem Spielzeug; er konnte stundenlang Gerade und Ungerade mit ihm spielen, brachte ihm das japanische Schachspiel bei und hauchte ihm, damit es noch interessanter wurde, eine unsterbliche Seele ein – eine übrigens ziemlich lebenslustige und arbeitsame. Janus Poluektowitsch (ich weiß nicht mehr, ob V- oder W-Janus) benutzte den Aldan nur ein einziges Mal. Zu diesem Zweck brachte er ein kleines, halb durchsichtiges Schächtelchen mit, das er an den Rechner anschloss. Nach etwa zehn Sekunden brannten im Computer sämtliche Sicherungen durch, worauf Janus Poluektowitsch sich bei mir entschuldigte, sein Schächtelchen wieder an sich nahm und ging.
    Trotz dieser kleinen Missgeschicke, Ärgernisse und der Tatsache, dass der nunmehr beseelte Aldan mitunter den Text druckte: »Muss nachdenken. Bitte nicht stören«, trotz des Mangels an Reservemodulen und eines Gefühls der Hilf losigkeit, das mich überkam, wenn ich eine logische Analyse der inkongruenten Transgression der Inkubus-Umformung im Psi-Feld vornehmen sollte – trotz alldem war die Arbeit im Institut ungeheuer interessant, und ich war stolz, ganz offensichtlich gebraucht zu werden. Ich nahm beispielsweise alle Berechnungen für Romans Arbeit am Vererbungsmechanismus bei bipolaren Homunkuli vor. Für Vitka Kornejew fertigte ich Tabellen der M-Feldstärke des Translations-Kanapees im neundimensionalen Magoraum an. Für unseren Patenbetrieb, die Fischfabrik, erstellte ich Kalkulationen. Ich berechnete den rentabelsten Transport für das Elixier des Kinderlachens. Für die Spaßvögel aus der Patiencengruppe berechnete ich sogar die Wahrscheinlichkeit für das Aufgehen der Patiencen »Großer Elefant«, »Staatsduma« und »Napoleons Grab«, und für Cristóbal Junta nahm ich sämtliche Quadraturen seines numerischen Verfahrens vor, wofür er mir den Weg ins Nirwana wies. Ich war zufrieden, meine Tage waren ausgefüllt, und mein Leben hatte einen Sinn.
    Es war noch ziemlich früh – keine sieben Uhr. Ich schaltete den Aldan ein und arbeitete eine Weile. Um neun besann ich mich, schaltete schweren Herzens den Strom im Elektroniksaal ab und begab mich in den vierten Stock. Das Schneetreiben dauerte an – es war ein echter Neujahrssturm, der in den alten, verfallenen Schornsteinen heulte, Schneewehen unter den Fenstern wachsen ließ und die wenigen Straßenlaternen zum Schaukeln brachte.
    Mein Weg führte mich an der Verwaltung vorbei. Modest Matwejewitschs Vorzimmer war mit kreuz und quer angebrachten Doppel-T-Trägern versperrt, und an jeder Seite der Tür stand mit blankem Säbel ein kräftiger Dschinn in Turban und Kampfausrüstung. In ihren geröteten und vom Schnupfen geschwollenen Nasen steckte ein massiver Goldring mit blecherner Inventarnummer. Es roch nach Schwefel, nach angesengter Wolle und nach Streptozidsalbe. Ich blieb kurz stehen, um mir die in unseren Breiten seltenen Dschinns anzusehen. Der an der rechten Türseite war unrasiert, trug eine schwarze Augenbinde und verschlang mich mit seinem einzigen Auge. Er stand in dem üblen Ruf, früher ein Menschenfresser gewesen zu sein – ich machte, dass ich weiterkam. Hinter mir hörte ich ihn geräuschvoll schniefen und mit seiner Zunge schnalzen.
    In den Räumen der Abteilung für Absolutes Wissen standen sämtliche Oberfenster offen, weil der Gestank von Professor Wybegallos Heringsköpfen bis hierher gedrungen war. Die Fensterbretter waren voller Schnee, und unter den Radiatoren der Dampfheizung standen Pfützen. Ich schloss die

Weitere Kostenlose Bücher