Gesammelte Werke 6
spinnenbeinige ovale Schüssel, deren Rand mit spärlicher rauer Wolle bewachsen war. Ich weiß nicht, was sie von mir wollte, aber sie zog sich immer wieder in eine entlegene Zimmerecke zurück, um Anlauf zu nehmen und mir mit voller Wucht in die Kniekehlen zu fahren, bis es mir endlich gelang, sie zwischen einem Sessel und der Wand einzuklemmen. Einen Teil der Gegenstände konnte ich vernichten, der Rest verzog sich in die Ecken. Übrig blieben die Schüssel, die Jagdweste mit dem Kristall und die schwarze Flüssigkeit in der Tasse, die inzwischen die Größe eines Kruges erreicht hatte. Ich nahm sie in beide Hände und schnupperte. Für meine Begriffe war es schwarze Füllhaltertinte. Die eingeklemmte Schüssel zappelte, kratzte mit ihren Spinnenbeinen über das farbige Linoleum und zischte unerträglich. Mir war ziemlich unbehaglich zumute.
Da vernahm ich aus dem Korridor Schritte und Stimmen, die Tür flog auf, vor mir stand Janus Poluektowitsch und sagte wie immer: »Aha.« Ich sprang auf. Janus Poluektowitsch ging in sein Arbeitszimmer und liquidierte im Vorbeigehen, mit einem einzigen, universellen Zucken seiner Augenbrauen, die ganze von mir erschaffene Kunstkammer. Ihm folgten Fjodor Simeonowitsch, Cristóbal Junta mit einer dicken schwarzen Zigarre im Mundwinkel, der finster drein schauende Wybegallo und der zu allem entschlossene Roman Oira-Oira. Sie alle schauten so besorgt drein und hatten es so eilig, dass sie mich überhaupt nicht wahrnahmen. Die Tür zum Arbeitszimmer blieb offen. Ich atmete erleichtert auf und kehrte auf meinen Platz zurück, wo mich eine große Porzellantasse mit dampfendem Kaffee und ein Teller mit belegten Broten erwarteten. Einer der Titanen – wer, weiß ich nicht – hatte trotz allem an mich gedacht. Ich frühstückte und horchte auf die Stimmen aus dem Kabinett.
»Fangen wir damit an«, sagte Cristóbal Junta mit kalter, verächtlicher Stimme, »dass Ihre – mit Verlaub gesagt – ›Gebärstation‹ direkt unter meinen Labors liegt. Sie haben schon einmal eine Explosion verursacht, die mich zwang, zehn Minuten lang zu warten, bis man in meinem Arbeitszimmer neue Fensterscheiben eingesetzt hatte. Ich hege den starken Verdacht, dass Sie Argumenten nicht zugänglich sind, und gehe daher von rein egoistischen Erwägungen aus …«
»Was ich in meinem Labor mache, ist ganz allein meine Sache, mein Guter«, erwiderte Wybegallo im Falsett. »Ich kümmere mich auch nicht um Ihre Etage, obwohl da in letzter Zeit immerzu lebendes Wasser ausläuft. Die Labordecken sind schon so aufgeweicht, dass sich darin Wanzen einnisten. Trotzdem kümmere ich mich nicht um Ihre Etage, also kümmern Sie sich auch nicht um meine.«
»Aber m-mein bester Amwrossi Ambrosjewitsch!«, dröhnte Fjodor Simeonowitsch. »Man m-muss doch an m-mögliche Komplikationen denken. Schließlich w-würde in einem Gebäude auch niemand m-mit einem Drachen experimentieren – und wenn’s n-noch so feuerfeste Baustoffe gäbe.«
»Bei mir handelt es sich nicht um einen Drachen, sondern um einen glücklichen Menschen! Einen Geistesriesen! Merk würdige Gedankengänge sind das, Genosse Kiwrin, sehr merkwürdige! Uns fremde Analogien! Hier geht es um das Modell des idealen Menschen, und Sie kommen mit einem klassenlosen feuerspeienden Drachen!«
»Aber m-mein Bester, es g-geht doch gar nicht darum, dass er k-klassenlos ist, sondern d-darum, dass er einen Brand v-verursachen kann.«
»Da haben wir’s! Der ideale Mensch kann einen Brand verursachen! Wie unbedacht, Genosse Kiwrin!«
»Ich spreche v-von einem Drachen.«
»Und ich spreche von Ihrer falschen Einstellung! Sie nivellieren die Dinge, Genosse Kiwrin, Sie verkleistern alles! Natürlich nivellieren wir Unterschiede … zwischen geistiger und physischer … zwischen Stadt und Land … auch zwischen Mann und Frau … Aber wir erlauben Ihnen nicht, einen Abgrund zuzukleistern, Genosse Kiwrin!«
»Was f-für ein Abgrund? Roman, w-was soll dieser Spuk? Sie ha-haben’s ihm doch in meiner Gegenwart erklärt! Amwrossi Ambrosjewitsch, Ihr Experiment ist g-gefährlich, verstehen Sie? Die Stadt k-könnte Schaden nehmen. V-verstehen Sie das?«
»Ich verstehe nur zu gut und werde nicht zulassen, dass der ideale Mensch unter freiem Himmel, bei Wind und Wetter, schlüpft!«
»Amwrossi Ambrosjewitsch«, begann nun Roman. »Ich kann Ihnen meine Argumente noch einmal darlegen. Das Experiment ist gefährlich, weil …«
»Roman Petrowitsch, ich beobachte Sie schon eine
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