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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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berechnest du seine Stärke.«
    »Und?«, versetzte ich und betrachtete den Barsch in der Wanne. Der Barsch schwamm im Kreis, und bei einer scharfen Drehung sah ich, dass er ausgenommen war.
    »Vitka«, bemerkte ich. »Es hat wohl doch noch geklappt?«
    »Sascha möchte nicht über eiweißfremdes Leben sprechen«, erklärte Edik. »Und er tut gut daran.«
    »Ohne Eiweiß kann man leben«, sagte ich. »Aber wie lebt er ohne Eingeweide?«
    »Der Genosse Amperjan meint, dass man ohne Eiweiß nicht leben kann«, sagte Vitka zu mir und ließ ein Rauchwölkchen wie einen Tornado um die Gegenstände im Zimmer herumwirbeln.
    »Ich habe nur gesagt, dass Eiweiß Leben ist«, widersprach Edik.
    »Das ist doch dasselbe«, meinte Vitka. »Du behauptest also, dass es ohne Eiweiß kein Leben gibt.«
    »Genau.«
    »Na, und was ist das?«, wollte Vitka wissen und wedelte sacht mit der Hand.
    Auf dem Tisch neben der Wanne hockte plötzlich ein widerwärtiges Geschöpf, halb Igel, halb Spinne. Edik richtete sich kurz auf und warf einen Blick darauf.
    »Ach«, sagte er und ließ sich wieder aufs Kanapee fallen. »Das ist doch kein Lebewesen. Das ist ein Monster. Ist etwa der Unsterbliche Kostschej ein Lebewesen, also, ein eiweißfremdes?«
    »Was willst du eigentlich?«, seufzte Vitka. »Bewegt es sich? Ja, es bewegt sich. Frisst es? Ja, es frisst. Und vermehren kann es sich auch. Willst du mal sehen?«
    Edik richtete sich erneut auf und warf einen Blick auf den Tisch. Die Igelspinne trat schwerfällig von einem Bein aufs andere. Es sah aus, als strebte sie in alle vier Himmelsrichtungen zugleich.
    »Ein Monster ist kein Lebewesen«, beharrte Edik. »Monster existieren nur, solange vernunftbegabte Lebewesen existieren. Man könnte auch sagen: solange Magier existieren. Monster sind ein Werk der Magier.«
    »Gut«, sagte Vitka.
    Die Igelspinne verschwand. An ihrer Stelle erschien ein kleiner Vitka Kornejew auf dem Tisch: eine getreue Kopie des echten, aber nur etwa einen halben Meter groß. Er schnipste mit seinen kleinen Fingern und schuf ein noch kleineres Double. Auch dieses schnipste mit den Fingern, und es entstand ein Mikrodouble von der Größe eines Kugelschreibers. Die nächsten Doubles hatten die Größe einer Streichholzschachtel und eines Fingerhuts.
    »Reicht das?«, fragte Vitka. »Jedes von ihnen ist ein Magier. Und keines enthält auch nur ein Molekül Eiweiß.«
    »Ein unglückliches Beispiel«, wandte Edik bedauernd ein. »Erstens unterscheiden sie sich prinzipiell durch nichts von einer numerisch gesteuerten Maschine. Zweitens sind sie nicht das Produkt einer Entwicklung, sondern deines auf Eiweiß beruhenden Verstandes. Es steht doch wohl außer Frage, ob die Evolution imstande ist, selbstvermehrende numerisch gesteuerte Maschinen hervorzubringen.«
    »Was verstehst du schon von Evolution«, brummte der ungehobelte Vitka Kornejew. »Bist du vielleicht ein neuer Darwin? Ob es sich um einen chemischen Prozess handelt oder um bewusste Tätigkeit, ist doch völlig egal. Deine Vorfahren bestanden auch nicht bloß aus Eiweiß. Deine Urmutter war zwar ein, wie ich gerne zugebe, ziemlich kompliziertes Molekül – bestand aber keineswegs aus Eiweiß. Und vielleicht ist unsere bewusste Tätigkeit nur eine Spielart der Evolution. Woher wissen wir denn, ob die Natur das Ziel hatte, den Genossen Amperjan zu erschaffen? Vielleicht hatte sie ja auch das Ziel, durch die Hände des Genossen Amperjan ein Monster zu erschaffen. Möglich ist alles.«
    »Verstehe. Erst kam der Protovirus, dann das Eiweiß, dann der Genosse Amperjan, und am Ende bevölkert sich der ganze Planet mit Monstern.«
    »Genau«, stimmte Vitka zu.
    »Und wir sterben aus, weil wir nicht mehr gebraucht werden.«
    »Warum nicht?«, meinte Vitka.
    »Ich habe einen Bekannten«, begann Edik. »Der behauptet, der Mensch sei nur das Zwischenglied, das die Natur braucht, um zur Krone der Schöpfung zu gelangen: zu einem Glas Kognak mit einer Scheibe Zitrone.«
    »Ja, warum nicht?«
    »Weil ich nicht will«, antwortete Edik. »Die Natur mag ihre Ziele haben, ich hab meine eigenen.«
    »Ein Anthropozentrist«, stellte Vitka angewidert fest.
    »So ist es«, gab Edik stolz zu.
    »Mit Anthropozentristen diskutiere ich nicht«, erklärte Vitka.
    »Dann erzählen wir uns eben Witze«, schlug Edik ungerührt vor und steckte sich noch ein Fruchtbonbon in den Mund.
    Vitkas Doubles auf dem Tisch arbeiteten unterdessen unermüdlich weiter. Das kleinste hatte nun die Größe einer

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