Gesammelte Werke
leise niederzulegen; auf dem Fußboden war kein Raum dafür. Danach trat Totenstille ein, und bis zum Morgengrauen war nicht das Geringste mehr zu hören – es sei denn ein leises Seufzen und Murmeln, das aber beinahe unhörbar war, falls es nicht überhaupt nur in meiner Einbildung bestand. Ich sage, es schien ein Seufzen oder Schluchzen zu sein, aber natürlich war das ausgeschlossen. Ich glaube eher, dass es ein Klingen in meinen eigenen Ohren war. Herr Wyatt ließ sicherlich nur einem seiner Steckenpferde die Zügel schießen – in irgendeinem Anfall von Kunstbegeisterung. Er hatte seine längliche Kiste geöffnet, um seine Augen auf dem Kunstschatz da drinnen ruhen zu lassen. Und so etwas konnte ihn doch nicht zum Schluchzen bringen! Ich wiederhole daher, dass es lediglich eine Vorspiegelung meiner eigenen Phantasie gewesen sein muss, die Kapitän Hardys grüner Tee allzu sehr angeregt hatte. In jeder der beiden erwähnten Nächte hörte ich beim Morgengrauen deutlich, wie Herr Wyatt den Deckel der länglichen Kiste wieder schloss und die Nägel mit Hilfe des umwickelten Hammers wieder in ihre Löcher schlug. Nachdem er dies getan, kam er völlig angekleidet aus seiner Kabine heraus und rief Frau Wyatt aus der ihrigen.
Unsere Seefahrt hatte schon sieben Tage gedauert, und wir ließen nun Kap Hatteras hinter uns, als ein ungemein heftiger Südweststurm einsetzte. Wir waren allerdings darauf vorbereitet gewesen, da das Wetter schon seit einiger Zeit bedrohlich ausgesehen hatte. Oben und unten wurde alles gut festgemacht; und da der Wind ständig zunahm, lagen wir schließlich unter Giek- und Vorbramsegel, beide doppelt gerefft.
In dieser Verfassung schwammen wir, leidlich sicher, achtundvierzig Stunden dahin, und das Schiff bewährte sich in vieler Hinsicht vorzüglich; das eindringende Wasser war nicht von Bedeutung. Nach dieser Zeit aber wurde der Sturm zum Orkan, und unser Hintersegel ging in Fetzen, wodurch wir so tief ins Wasser gerieten, dass wir kurz hintereinander ein paar gewaltige Sturzseen schluckten. Bei dieser Gelegenheit verloren wir drei Mann über Bord, mitsamt der Kambüse, und fast die ganze Backbord-Schanzkleidung. Kaum waren wir wieder bei Sinnen, als das Vormarssegel in Fetzen ging; wir hissten nun ein Notsegel, und ein paar Stunden ging alles gut, da das Schiff den Wellen jetzt viel ruhiger als vorher begegnen konnte.
Der Sturmwind blieb jedoch derselbe, und keine Verminderung war wahrzunehmen. Die Takelage war nicht mehr in Ordnung, sondern völlig verwirrt; und am dritten Tag des Sturmes ging gegen fünf Uhr nachmittags bei einem plötzlichen Stoß unser Besan-Mast über Bord. Mehr als eine Stunde mühten wir uns vergeblich, ihn loszubekommen, denn das Schiff schlingerte gewaltig, und ehe wir unseren Zweck erreicht hatten, kam der Zimmermann herbei und verkündete, dass der Schiffsraum vier Fuß unter Wasser stehe. Zum Überfluss waren die Pumpen verstopft und fast unbrauchbar.
Alles war nun Entsetzen und Verwirrung – doch machte man einen Versuch, das Schiff zu erleichtern, indem man alle erreichbare Ladung über Bord warf und die zwei noch übrig gebliebenen Mastbäume absägte. Das gelang uns endlich; an den Pumpen aber konnten wir immer noch nicht arbeiten, und inzwischen nahm das Leck schnell zu.
Bei Sonnenuntergang hatte der Sturm an Heftigkeit nachgelassen, und da auch das Meer sich etwas beruhigte, so gewann die Hoffnung Raum, dass wir uns in den Booten retten könnten. Um acht Uhr zerstreuten sich die Wolken, und wir hatten glücklicherweise Vollmond – ein Umstand, der unsere gesunkenen Lebensgeister wundervoll auffrischte.
Nach unglaublicher Arbeit gelang es uns schließlich, das große Boot ohne wesentlichen Unfall an der Schiffswand herunterzulassen, und die ganze Schiffsmannschaft und der größte Teil der Passagiere drängte sich darin zusammen. Dieses Boot entfernte sich sofort und erreichte schließlich nach vielen Leiden seiner Insassen am dritten Tag nach dem Unfall Ocracoke Inlet.
Vierzehn Passagiere und der Kapitän waren noch an Bord; sie wollten ihr Glück in der kleinen Jolle vom Heck versuchen. Wir brachten sie ohne Schwierigkeiten ins Wasser, wenngleich es uns nur durch ein Wunder gelang, sie so hinunterzubringen, dass sie nicht gleich umschlug. Als sie abstieß, trug sie den Kapitän und seine Frau, Herrn Wyatt und Familie, einen mexikanischen Offizier mit Frau und vier Kindern und mich selbst mit einem Neger, meinem Diener.
Wir hatten natürlich für
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