Gesammelte Werke
eindrang. Ich versäumte nicht, mich darüber im »Schnapphahn« zu verbreiten, sobald sich nur eine passende Gelegenheit dazu finden ließ. Es ist nun als ein sonderbares Zusammentreffen anzusehen, als eines jener auffallend merkwürdigen Zusammentreffen, welche zu tiefem Nachdenken Anlass geben, dass eine gleiche Meinungsänderung, ein gleiches »bouleversement« (wie man in Frankreich sagt), eine gleiche »Umwertung aller Werte« (wenn es mir erlaubt ist, einen etwas gewaltsamen Ausdruck der Choctaws zu gebrauchen), wie sie »pro« und »contra« zwischen mir einerseits und der »Blechschmiede« andererseits vorfiel, auch, kurze Zeit später, tatsächlich und von ähnlichen Umständen begleitet zwischen mir einerseits und dem »Radau« andererseits, zwischen mir einerseits und der »Brummtrommel« andererseits sich ereignete.
So kam es, dass ich durch einen genialen Meisterstreich auf der höchsten Höhe meines Triumphes anlangte und »Geld in meinen Beutel kriegte«. So hat also wirklich und wahrhaftig jetzt die glänzende und ereignisreiche Laufbahn begonnen, die mich berühmt machte. Wenn ich auf sie zurückblicke, kann ich mit Chateaubriand sagen: »Ich habe Geschichte gemacht – j’ai fait l’histoire.«
Und in der Tat: Ich habe Geschichte gemacht. Von der strahlenden Epoche an, deren Erinnerung ich eben jetzt erweckt habe, sind meine Taten, meine Werke das Allgemeingut der Menschheit. Die Welt kennt sie. So ist es unnötig, zu erzählen, wie ich höher und höher stieg, wie ich das Erbe des »Honigsüßen« antrat, wie ich die Zeitschrift mit der »Brummtrommel« verschmolz, wie ich dann den »Radau« kaufte und die drei Zeitschriften verband, wie ich zuletzt auch noch den einzigen selbstständigen Rivalen aufkaufte und so die ganze Literatur des Landes in einer einzigen prachtvollen Zeitschrift vereinigte, überall bekannt als
»Radau und Honigsüßer,
Brummtrommel und Blechschmiede«.
Ja, ich habe Geschichte gemacht. Mein Ruhm strahlt über die Erde. Er breitet sich bis in ihre äußersten Winkel aus. Sie können kein Blatt in die Hand nehmen, ohne auf eine Bemerkung über den unsterblichen Thingum Bob zu stoßen. Da steht: »Mr. Thingum Bob sagte so«, oder: »Mr. Thingum Bob schrieb jenes«, oder: »Mr. Thingum Bob tat dieses.« Aber ich bin bescheiden und demütigen Herzens. Denn was ist es schließlich – jenes undefinierbare Etwas, das die Menschen »Genie« nennen? Ich gebe Buffon und Hogarth recht: Im Grunde genommen ist es nur Fleiß.
Seht mich an! – wie ich arbeitete, wie ich schuftete, wie ich schrieb! Schrieb ich vielleicht nicht, o Götter? Das Wort »Muße« war mir unbekannt. Bei Tag klebte ich an meinem Pult, und bei Nacht arbeitete ich, blass und überwacht, beim Schein des Öllämpchens, noch um Mitternacht. Ihr solltet mich damals gesehen haben. Ich stützte mich rechts auf, ich stützte mich links auf, ich stützte mich nach vorn auf beide Ellenbogen. Ich lehnte mich zurück. Ich saß »tête baissée« (wie es bei den Kickapoos heißt) und neigte meinen Kopf dicht auf das alabasterweiße Papier. Und bei alledem – ich schrieb, schrieb. Bei Freude und bei Schmerz – ich schrieb. Bei Hunger und Durst – ich schrieb. Bei guten Erzählungen und schlechten Nachrichten – ich schrieb. Bei Sonnenschein, bei Mondschein – ich schrieb. Was ich schrieb, tut nichts zur Sache. Der Stil ist das Wesentliche! Ich verdanke ihn Meister Fettquaker – st! st! – und hier habt ihr ein Pröbchen davon.
* Für »Heil« und »Hagel« hat die englische Sprache das gleiche Wort (hail). Der Parallelismus ist im Deutschen nicht wiederzugeben. (Anm. d. Ü.)
Der entwendete Brief
Nil sapientiae odiosus acumine nimio
.
S ENECA
Es war in Paris an einem stürmischen Herbstabend des Jahres 18… Ich saß im dritten Stockwerk des Hauses Nr. 33 der Rue Donot, Faubourg St. Germain, in dem nach hinten gelegenen Bibliothekzimmerchen bei meinem Freund August Dupin und gab mich dem zwiefachen Genuss des Nachdenkens und einer Meerschaumpfeife hin. Seit mindestens einer Stunde hatten wir beide kein Wort gesprochen. Ein zufälliger Beobachter hätte sicherlich geglaubt, wir seien einzig und allein damit beschäftigt, die kräuselnden Rauchwolken zu verfolgen, die in dichten Schwaden das Zimmer füllten. Indessen, was mich betraf, so sann ich dem Gesprächsstoff nach, mit dem wir uns zu einer früheren Stunde desselben Abends eifrig befasst hatten; ich meine die Affäre aus der Rue Morgue und den
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