Gesammelte Werke
reine Luft zu atmen.
Um einige Stellen meines Berichtes, an denen ich von der Verstauung sprach, näher zu erklären, muss ich hervorheben, dass diese so wichtige Pflicht von Kapitän Barnard in einer Weise geübt worden war, die geradezu fahrlässig genannt werden musste; er war keineswegs der vorsichtige und erfahrene Seemann, den sein Dienst gebieterisch zu erfordern schien. Eine richtige Verstauung kann nicht fürsorglich genug betrieben werden; viele der schlimmsten Unfälle sind die Folge von Unaufmerksamkeit oder Unwissenheit in dieser Beziehung. Küstenfahrer, die oft und in großer Eile ihre Ladung einnehmen, fallen am häufigsten einem Mangel an Aufmerksamkeit bei der Verstauung zum Opfer. Die Hauptsache ist, dass selbst beim ärgsten Schlingern oder Stampfen des Schiffes die Ladung und der Ballast ihre Lage nicht verändern dürfen. Auf den meisten Schiffen verstaut man die Ladung mit Hilfe einer Schraube. Der Zweck dieser Methode ist, mehr Platz im Kielraum zu gewinnen.
Die Verstauung an Bord des »Grampus« war eine gar elende Leistung, wenn man es überhaupt Verstauung nennen konnte, Tranfässer und Schiffsgerät achtlos durcheinander zu mengen. (Die meisten Walfänger sind mit eisernen Tranbehältern versehen; warum sie dem »Grampus« fehlten, habe ich nie ermitteln können.) Den Zustand im Kielraum habe ich schon beschrieben; im Zwischendeck blieb gerade Raum für meinen Körper, wie ich schon gesagt habe, wenn ich mich zwischen die Tranfässer und das Oberdeck zwängte; um die Hauptluke herum war Platz gelassen, und in der Verstauung gab es sonst noch etliche Lücken. Bei dem Loch, das Augustus herausgesägt hatte, war Raum für ein ganzes Fass; hier nahm ich vorläufig eine ziemlich bequeme Stellung ein.
Als mein Freund glücklich in seiner Koje lag und seine Fesseln wieder an Händen und Füßen hatte, war es heller Tag geworden. Wir waren mit genauer Not davongekommen; denn kaum hatte er alles in Ordnung gebracht, als der Maat, Dirk Peters und der Koch herabkamen. Sie sprachen eine Zeitlang über das Schiff von den Kapverden, nach dessen Erscheinen sie ein lebhaftes Verlangen trugen. Endlich kam der Koch zu Augustus’ Koje und setzte sich an den Kopf des Bettes. Ich konnte jedes Wort aus meinem Versteck hören und erwartete jeden Augenblick, dass der Neger sich an die über der Öffnung hängende Matrosenjacke lehnen würde; dann wäre alles entdeckt worden, und wahrscheinlich hätte man uns umgebracht. Doch blieb uns das Glück treu; denn so oft er auch, wenn das Schiff sich stark bewegte, an die Jacke rührte, so war sein Druck niemals stark genug, um eine Entdeckung herbeizuführen. Die Jacke war unten an der Scheidewand befestigt, so dass sie das Loch nicht durch Hin- und Herschlenkern offenbaren konnte. Die ganze Zeit über lag Tiger am Fußende der Koje, und er schien einen Teil seiner Vernunft wiedergewonnen zu haben, denn ich sah ihn zuweilen die Augen öffnen und einen langen Zug tun.
Nach einigen Minuten ging der Maat mit dem Koch hinauf, und sobald sie fort waren, nahm Dirk Peters den Platz ein, auf dem jener gesessen hatte. Er ließ sich mit Augustus in eine gemütliche Unterhaltung ein, und wir erkannten jetzt, dass seine Trunkenheit erheuchelt war. Er antwortete offenherzig auf alle Fragen meines Freundes, sagte ihm, er zweifle nicht daran, dass man seinen Vater aufgefunden habe, da an jenem Tag nicht weniger als sechs Segel kurz vor Sonnenuntergang gesichtet worden seien, und sprach ihm auch sonst tröstlich zu, was mir ebenso überraschend als erfreulich war. In der Tat fing ich an, zu hoffen, dass wir mit Peters’ Hilfe uns der Brigg wieder bemächtigen könnten, und teilte diesen Gedanken meinem Freunde sobald wie möglich mit. Er hielt die Sache nicht für unmöglich, betonte aber, dass man sehr behutsam vorgehen müsse, da das Benehmen des Halbbluts möglicherweise nur einer Laune entsprungen sei; man konnte auch wirklich schwer sagen, ob er überhaupt bei Verstand war. Peters ging bald an Deck und kehrte erst gegen Mittag zurück; er brachte Augustus einen reichlichen Vorrat von gesalzenem Rindfleisch und Pudding, an denen ich mich später ebenfalls gütlich tat. Niemand anders kam während des Tages ins Vorderkastell; abends kroch ich in Augustus’ Koje und schlief dort süß und tief bis Tagesanbruch; da hörte er ein Geräusch auf dem Verdeck, er weckte mich, und ich eilte in mein Versteck zurück. Als es völlig Tag war, fanden wir, dass Tiger sich fast gänzlich
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