Gesandter des Teufels
Richards Gesicht, und er richtete sich aufmerksam auf dem Thron auf. »Tatsächlich?«
»Bolingbrokes persönlicher Sekretär ist ein Mann namens ...«
»Thomas Neville«, sagte Richard. »Ja, ja, sprecht weiter.«
Thorseby schürzte die Lippen und warf Richard nun seinerseits einen verärgerten Blick zu. »Ja. Thomas Neville. Wie Ihr sicher wisst, war Neville einmal ein Mitglied meines Ordens ...«
»Bis ihm eingefallen ist, dass er lieber Unzucht treibt, als zu beten«, sagte de Vere.
Richard lachte und genoss den gekränkten Ausdruck auf Thorsebys Gesicht.
Thorseby holte tief Luft. »Ja, bis er beschlossen hat, lieber ein sündiges Leben zu führen. Euer Majestät, mir ist zu Ohren gekommen, dass Neville ein äußerst gefährlicher Mann ist, und ich möchte Euch um Eure Hilfe bitten, um ihn nach den Regeln meines Ordens zur Rechenschaft ziehen zu können.«
»Ein äußerst gefährlicher Mann?«, sagte de Vere sehr leise. Er saß nun fast auf der Kante seines Stuhls, als wolle er jeden Moment aufspringen.
»In welcher Hinsicht?«
»Ich verdächtige Neville der schlimmsten Ketzerei«, sagte Thorseby Er machte eine dramatische Pause. »Und des Verrats.«
Es herrschte Schweigen.
»Ketzerei?«, fragte Richard. »Verrat?«
»Ja, Euer Hoheit. Ich habe schon seit Monaten den Verdacht, dass Neville möglicherweise mit den Lollarden und ihrem Anführer, dem Erzketzer John Wycliffe, gemeinsame Sache macht. Schließlich gehört er zum Haus Lancaster, und wie wir alle wissen ...«
»Fasst Euch kurz!«
»Nun, jedenfalls habe ich neulich erfahren«, fuhr Thorseby fort, »dass Neville während seines Aufenthalts in Europa nicht nur mit Dämonen Umgang hatte ...«
Richard und de Vere lachten ein wenig nervös.
»... sondern auch mit Etienne Marcel, der, wie Ihr sicher wisst...«
»Marcel?«, sagte Richard und warf de Vere einen Blick zu. »Der Anstifter des Pariser Aufstands?«
»Ebender, Euer Hoheit. Der Mann, der gefordert hat, dem König alle Macht wegzunehmen und sie in die Hände des Volkes zu legen.«
»Und Ihr habt einen Beweis dafür, dass Neville mit Marcel im Bunde war?«, fragte de Vere.
»Ja, mein Lord. Einen Zeugen, der bestätigen kann, dass beide miteinander Ränke geschmiedet haben. Zweifellos hat Neville vor, auch in England Unruhe zu stiften, Majestät. Er ist in höchstem Maße gefährlich. Es wäre sicher zu Eurem Besten und würde darüber hinaus meinem Orden entgegenkommen, wenn Neville in Gewahrsam genommen würde.«
Es herrschte Schweigen, während Richard Thorseby anstarrte und dann de Vere einen fragenden Blick zuwarf.
»Mag sein«, sagte de Vere schließlich bedächtig. »Aber im Augenblick würde ich es für das Beste halten, wenn Neville nur wegen des Verdachts auf Ketzerei gefangen genommen würde. Ich zweifle nicht daran, dass Ihr guten Grund habt, ihn des Verrats anzuklagen, Ordensgeneral, doch wenn Neville tatsächlich schuldig ist, wie steht es dann mit den anderen Mitgliedern des Hauses Lancaster? Dem Herzog selbst? Oder Bolingbroke?«
»Und wenn wir Neville wegen des Verdachts der Aufwiegelung des Volkes gegen den König gefangen nehmen lassen«, fuhr Richard fort,
»warnen wir damit Bolingbroke und Lancaster, ehe wir genügend Beweise in der Hand haben, um auch gegen sie vorgehen zu können.
Doch wenn wir im Augenblick lediglich dem guten Ordensgeneral dabei helfen, Neville wegen des Verdachts auf Ketzerei Lancasters Einfluss-nahme zu entziehen und ihn der Gerichtsbarkeit des dominikanischen Ordens zu unterstellen, wird niemand unsere wahren Absichten erahnen können.«
Er schenkte Thorseby ein Lächeln und konnte seine Freude kaum verbergen. Ich habe dich!, dachte er. Ich habe dich, o strahlender Prinz Hai!
»Das habt Ihr sehr gut gemacht, Ordensgeneral«, sagte er und kam zu dem Schluss, dass er Thorseby eigentlich doch ganz gern mochte. »Sehr gut. Ich werde Euch Euren Wunsch erfüllen, unter der Bedingung, dass Ihr während Nevilles Befragung Beweise dafür findet, dass auch sein Herr, Hai Bolingbroke, in die Sache verwickelt war. Also ... wie kann ich Euch am ehesten behilflich sein?«
Bolingbroke und die Mitglieder seines Hauses wohnten der Abendmesse in der St. Paul's Kathedrale bei statt in der Abgeschiedenheit der Kapelle des Savoy Palace. Neville hatte sich dagegen ausgesprochen, doch Bolingbroke glaubte nicht, dass es Schwierigkeiten geben würde. Wie sollte Richard etwas gegen Bolingbroke unternehmen, wenn er von den Bewohnern Londons umgeben war, die
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