Gesandter des Teufels
gebannt auf die Tür gerichtet.
Der Mann vor der Tür kreischte auf, ein Schrei des blanken Entsetzens wie der eines Tieres, und Neville hörte das unverkennbare Geräusch eines Messers, das wiederholt in den Leib eines Menschen gestoßen wurde.
Jedes Mal, wenn es in den Leib des Opfers fuhr, kratzte es über die Tür.
Nevilles Gesicht nahm den wachsamen Ausdruck eines erfahrenen Kriegers an. Sein Blick war finster, er presste den Mund zusammen und packte das Bein des Schemels mit dem gesplitterten Ende fester.
Er hatte keine Angst. Er war nur wütend über seine Hilflosigkeit.
Blut begann unter der Tür hindurchzusickern ... und der Mann kreischte immer noch, nun jedoch in immer größeren Abständen.
Ein Teil von Nevilles Bewusstsein stellte fest, dass der Mann in den Bauch gestochen worden sein musste. Er würde zwar sterben, doch es würde eine Weile dauern.
Wieder waren Schritte zu hören und dann Stimmen, die dieses Mal etwas ruhiger klangen.
Schlüssel klapperten, der im Sterben liegende, schreiende Mann wurde beiseitegeschoben und dann wurde das Schloss der Zellentür geöffnet.
Die Tür schwang langsam auf, und Neville hob das Holzstück an.
Und ließ es dann gleich wieder sinken.
Wat Tyler stand in der Tür, während sich hinter ihm mehrere Männer drängten. Tyler war rußverschmiert und quer über seine Stirn verlief eine oberflächliche Schnittwunde.
Seine blauen Augen leuchteten hell in einem Gesicht, das von Fanatismus verzerrt war.
»Bei allen Heiligen, Wat«, sagte Neville im Flüsterton. »Was tust du denn hier?«
»Dich retten«, sagte Tyler, drehte sich dann um und nahm etwas von einem der Männer hinter ihm entgegen - ein Bauer, wie Neville feststellte.
»Zieh das an«, sagte Tyler und reichte Neville einen grob gewebten, bäuerlichen Umhang. »Wenn du in diesen feinen Kleidern durch die Straßen läufst, kann ich für dein Leben nicht garantieren.«
Neville streckte langsam die Hand aus und nahm den Umhang in Empfang.
Sein Blick glitt von Tyler zu dem dominikanischen Mönch, der an der gegenüberliegenden Wand des Ganges lag und dessen Schreie nun einem grässlichen Keuchen gewichen waren. Der Mann hielt die Hände auf den Bauch gedrückt, was jedoch nichts nützte, da das Blut trotzdem zwischen ihnen hindurchsickerte, und Neville konnte die Eingeweide sehen, die zwischen seinen Fingern hervorquollen.
Tyler trat einen Schritt vor und packte Neville am Ärmel, um ihn vom Anblick des sterbenden Dominikaners abzulenken.
»Wir müssen zum Savoy Palace«, sagte Tyler. »Margaret!«, rief Neville.
In einem entfernten Teil des Klosters von Blackfriars trat ein Mann, der die Tunika und den Umhang eines Bauern trug, leise aus einer Seitentür und machte sich dann langsam und vorsichtig auf den Weg zu den Außenbezirken Londons und der Straße, die nach Norden führte.
Nachdem er zwei Meilen auf der Straße zurückgelegt hatte, hielt Ordensgeneral Richard Thorseby auf einem kleinen Hügel inne, um auf London hinabzublicken.
Rauchsäulen stiegen über der Stadt auf, und selbst aus der Ferne war das Leuchten der Feuer über die Stadtmauern hinweg deutlich zu erkennen.
»Im Augenblick mögt Ihr in Sicherheit sein, Neville«, flüsterte Thorseby,
»und Euch in dem Glauben wiegen, Ihr seid der gerechten Strafe entgangen ... doch vor der Gerechtigkeit Gottes gibt es kein Entkommen!«
Mit diesen Worten drehte er sich um und ging in Richtung Norden weiter, einem sicheren Unterschlupf entgegen.
Die Terz am Samstag während der Oktave von Fronleichnam Im
zweiten Jahr der Regentschaft Richard II. (9 Uhr morgens, 2. Juni
1380)
»Was ist passiert?«, fragte Neville Tyler, während sie durch die Gänge des Klosters Blackfriars eilten. In den Gebäuden des Klosters wimmelte es nur so von Männern - Bauern ebenso wie Städtern -, und Neville zählte die Leichen von mindestens acht Mönchen, während auf dem Hof zehn oder zwölf weitere lagen. Die Luft war rauchgeschwängert, und als Neville über die Schulter auf die Hauptgebäude des Klosters zurückblickte, sah er, dass viele der Häuser in Flammen standen.
»Für diese Aasgeier ist der Tag des Jüngsten Gerichts vorzeitig angebrochen«, sagte Tyler. Sie eilten die Gasse entlang, die nach Norden zur Fleet Street führte.
»Tyler?«, fauchte Neville. »Was geschieht hier?«
»Das Volk hat sich erhoben. Die Freiheit steht aus dem Grabe auf, wohin deine geliebte Kirche und deine adligen Brüder sie jahrhundertelang verbannt haben«,
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